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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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Weisester«, warf der Ältere ein, dessen Stimme fern und schwach klang. »Aber fürs Erste ist sie gut genug.«
    Als sich Gariath herumdrehte, waren da nur Wind und Sand. Es gab keine Fußabdrücke als Zeichen dafür, dass der Ältere jemals bei ihm gewesen war. Und doch, mit jedem Atemzug, den Gariath nahm, durchdrang der Duft von Flüssen und Felsen seine Sinne.
    Vielleicht sollte ihm zu denken geben, dass er sich nur lebendig fühlte, wenn er irgendetwas schwer verletzte. Vielleicht hätte er das als Zeichen nehmen sollen, dass seinem Weg im Leben vorbestimmt war, neben Strömen von Blut zu verlaufen. Oder aber er sollte einfach nur stolz darauf sein, dass er einer gigantischen Seeschlange die Zähne ausgeschlagen hatte, nachdem sie das zweite Mal vergeblich versucht hatte, ihn zu töten.
    Philosophie war sowieso nur was für Idioten.
    Seine Bedenken verpufften jedoch augenblicklich, als er die zerschmetterten Zähne der Schlange vom Sand aufhob und spürte, wie sie warm und scharf auf seiner Haut kratzten. Die werde ich behalten, beschloss er, als Erinnerung daran, was es in diesem Augenblick bedeutete, Rhega zu sein.
    Aber er durfte nicht länger darüber nachdenken. Seine Füße setzten sich wie von allein in Bewegung, als die Sonne im Meer versank, und seine Nüstern bebten, als sie den Geruch von lebenden Wesen witterten.

Ganz gleich, wie sehr sie sie auch anstarrte, die Sonne weigerte sich beharrlich, ihr irgendwelche Antworten zu geben.
    Es war lange her, seit sie ihren Blick nach oben gerichtet hatte, mit offenem Mund und ausdruckslosen Augen. Dass ihre Kehle trocken und ihre Tränen schon lange versiegt waren, kümmerte sie nicht. Ihr Atem war schon vor langer Zeit verdampft, aufgelöst in der Hitze.
    Asper starrte weiterhin auf die Sonne.
    Sie sollte ihr die Wahrheit enthüllen. Das wusste sie. Alle Schriften behaupteten genau das.
    »Und als der Heiler Seinen Leib aufgab und Seine Haut und Sein Blut, bis nichts mehr da war, was Er der Menschheit hätte geben können, und erst als die Gesamtheit Seines Wesens für Seine Kinder aufgegeben war, erst dann verließ Er die Qualen der grausamen Erde und stieg in die Himmel empor, auf Schwingen schwer von Wehklagen.
    Er hinterließ keine Entschuldigung, Er hinterließ keine Ausflüchte, und Er hinterließ keine Versprechungen für jene, denen Er so großmütig Seinen Körper geschenkt hatte. Er hinterließ nur eines: Hoffnung. Die große goldene Scheibe, die Seine Kinder erinnern sollte, dass Er nur Seine Knochen und Seinen Odem in die Welt dort oben mitgenommen hatte, Seinen Körper, Seine Haut, Sein Blut und Sein großes Auge aber zurückgelassen hatte.«
    Sie konnte diese Hymne rezitieren, bis ihr die Lippen bluteten
und ihre Zunge geschwollen war, und das war auch vollkommen richtig, solange die Worte, die sie äußerte, jene Worte waren, in denen sie ihr ganzes Leben lang Trost gesucht hatte.
    Jetzt aber waren Worte nicht mehr ausreichend. Die Sonne weigerte sich jedoch, ihr zu antworten.
    Ihr Arm brannte mit einer Intensität, die mit jener der goldenen Glut wetteiferte, zu der sie ihn erhob. Flatterndes, zuckendes blutrotes Licht umhüllte ihn, während sich die Knochen schwärzten wie eine gebrannte Schicht aus Sünde unter dem Rot, das einst ihre Haut gewesen war. Alle ihre Finger waren ausgestreckt, reckten sich wie elfenbeinerne Krallen der Sonne entgegen, suchten ihr die Wahrheit zu entreißen.
    Aber ihr Arm war zu kurz. Folglich konnte sie nur fragen.
    »Warum?«
    Der Himmel seufzte, und sein Stöhnen drang in ihren Körper und schüttelte die Knochen durcheinander, die schwarz in ihr kochten.
    »Tut mir leid«, antwortete die Sonne. »Das ist meine Schuld.«
    In ihrem Körper war kein Platz für Stolz, kein Raum, um Freude zu empfinden oder Vergebung anzubieten. Sie spürte, wie das Rot über ihre Schulter hinaufrutschte, wie es auf roten Fingern über ihre Kehle glitt und ihre Brüste in einem blutigen Griff zerquetschte. Der Schmerz verdrängte alle anderen Gefühle, verbrannte ihr Skelett in ihrem Inneren.
    Sie sah die elfenbeinfarbenen Gelenke ihrer Knie, die ihr entgegenkamen, als sie zusammenbrach, sah, wie sie ihre knochigen Hände in den Schmutz stemmte. Die Sonne war jetzt heiß, unerträglich heiß. Sie warf ihren beinernen Schädel zurück und schrie, mit einem Mund, hinter dessen schwarzen Zähnen rotes Licht glühte, flehte wortlos das große Auge an aufzuhören.
    »Tut mir leid«, antwortete es. »Ich konnte es nicht. Tut mir leid.

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