Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
hättest dich überanstrengt.« Sie lächelte ihn zögernd an. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich jetzt sage, dass ich froh bin, dass du es getan hast?«
Du brütest wahrscheinlich irgendeine magische Krankheit aus, die sich darin äußert, dass du aus deinem Mund scheißt und an deinem eigenen Stuhlgang erstickst, und sie ist froh?
»Ich meine, ich weiß, wie ungeheuerlich das war«, sagte sie, »aber du hast uns gerettet.«
»Oh ... richtig«, gab er zurück. »Das Eisfloß. Ja, schon gut, das war ... nichts Besonderes.«
Na klar, es hat dich nichts gekostet, außer dem Vermögen, dich aus eigener Kraft aufzurichten. Welch ein Schauspiel!
»Es ist nur schade, dass du die anderen nicht retten konntest«, sagte sie. »Oder ... ist es das, was du mit deinem Vogel-Hokuspokus versuchst?«
»Vogel-Hellsicht!«, fuhr er sie an. Er hätte sie fast angeschnauzt, verzog dann jedoch die Lippen rasch zu einem kindlichen Lächeln. »Und ... ja. Ja, ich habe nach ihnen gesucht.«
»Hast du etwas gefunden?«
»Noch nicht.«
»Das kannst du ja wohl auch nicht, oder?« Sie seufzte und warf einen verlorenen Blick auf das Meer. »Wir hatten Glück, dass wir uns selbst retten konnten. Alles, was im Wrack geblieben ist, ist verloren.«
Da war etwas in ihrer Stimme, was dazu führte, dass er sich verspannte. Das heißt, es war eigentlich etwas, was nicht darin war. Normalerweise folgten ihre Augen ihrer Stimme, die am Ende eines Satzes anstieg, als würde sie darauf warten, dass man ihr widersprach, als erwartete sie, dass irgendjemand mit einem grimmigen Gedanken konterte. Wenn genug Zeit verstrich, dann passierte es häufig, dass sie selbst wieder sprach, dass sie wider besseres Wissen eine Hoffnung äußerte.
Aber davon war heute weder etwas zu sehen noch in ihrer Stimme zu hören. Ihre Worte klangen endgültig; und sie starrte auf das Wasser, ohne zu blinzeln. Zudem sah sie sehr, sehr müde aus.
»Sie... sie könnten noch da draußen sein«, sagte er. »Würde Talanas nicht über sie wachen?«
»Würde Talanas zuhören, wären wir überhaupt nicht hier.«
Dann sah er es, in ihrem ernsten Blick, in ihrem entschlossen
vorgeschobenen Kiefer. Die idealistische Hoffnung war aus ihrem Blick verschwunden, dieses wunderliche Zucken, von dem er immer angenommen hatte, dass es auf einen kleineren Hirnschaden hindeutete, war nicht mehr da. Sie stützte sich nicht mehr so sehr auf ihren Glauben, falls sie überhaupt noch glaubte.
Sie hat damit aufgehört, dachte er. Sie glaubt nicht an Götter. Jedenfalls im Moment nicht.
Eine Vielzahl von Reaktionen schoss ihm durch den Kopf. Er wollte ihr zu ihrer Erleuchtung gratulieren, die Tatsache feiern, dass sie endlich wie Gleichgestellte miteinander kommunizieren oder vielleicht einfach ruhig miteinander reden konnten, und er wollte ihr anbieten, sie zu führen. Er wies sie alle zurück; jegliche Reaktion war vollkommen unangemessen. Und nichts, nichts war eine weniger angemessene Reaktion als das Kribbeln in seinen Lenden.
Vertreib es, vertreibe es!, befahl er sich. Das ist der absolut ungeeignetste Zeitpunkt dafür.
»Hast du etwas ... gefühlt?«, fragte sie ihn plötzlich.
»Absolut nichts!« Er quiekte förmlich.
Sie schien seinen Ausbruch jedoch nicht zu bemerken, sondern starrte stattdessen in die Ferne. »Es ist etwas ... wie das, was ich bei Eisentrutz gespürt habe. Heiß und kalt ...«
Er hob eine Braue. Damals hatte sie Magie wahrgenommen, daran konnte er sich erinnern, aber es gab viele, die empfänglich dafür waren, ohne eine besondere Gabe dafür zu zeigen. Und damals war die Quelle ein Feuer und Eis spuckendes Langgesicht gewesen, das so hell von Magie brannte, dass selbst ein Toter es gespürt hätte.
Trotzdem machte ihm das Sorgen. Denn er spürte nichts in der Luft, nichts von der florierenden Kälte und Hitze, die üblicherweise auf eine magische Präsenz hindeuteten. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, ob sie es vielleicht nur vortäuschte.
Ihr linker Arm spannte sich an, und sie umklammerte ihn, kratzte, als würden Ameisen darüberlaufen. Sie wimmerte
leise, ein Laut, der rasch zu einem gequälten Flüstern anschwoll, während sie immer heftiger an ihrem Arm kratzte, bis sich der Ärmel ihrer Kutte rot färbte.
»Dread.« Sie starrte ihn an, und in ihrem Blick wich die Furcht der Gewissheit. »Was geht hier vor?«
Die kriechende Kreatur suchte sich vorsichtig den Weg durch den Sand. Sie hatte sechs Beine, zwei Klauen, zwei
Weitere Kostenlose Bücher