Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
das ihretwegen?«
Er starrte in Gariaths Augen, während das letzte Fünkchen Leben flackernd aus ihm wich.
»Für die Familie«, erwiderte er. »Alles für die Familie.«
Gariath ließ ihn los. Der Kopf des Grünshict knallte wenig feierlich auf die Steine, wo er liegen blieb. Die Kreatur rührte sich nicht mehr.
Sofort bereute der Drachenmann, dass er sein Gesicht nicht auf die Steine der Straße gehämmert hatte. Er überlegte, ob er es noch tun sollte, einfach nur so. Allerdings spielte das keine Rolle, denn der Shict hatte gesagt, was er gesagt hatte, und Gariath konnte die Worte immer noch hören.
Sie ärgerten ihn, so wie ein Jucken in der Mitte seines Rückens ihn ärgerte.
Er riss seinen Blick von dem Leichnam los und sah die Straße hinab, während seine Gedanken zu dem Menschen wanderten. Zu Lenk.
Die Worte bekümmerten ihn immer noch.
»Wie ich sehe, schwebt er nicht.«
Es kam nur sehr selten vor, dass es Gariath ärgerte, wenn man sich an ihn heranschlich. Denn das tat nur selten jemand, ohne sich der Konsequenz stellen zu müssen, dass er zu Brei geschlagen wurde. Als er jetzt herumwirbelte, sah er zwei gelbe Augen, die ihn unter dem Schädelhelm irgendeiner Bestie ansahen.
Dann warf Shalake einen Blick auf den Leichnam des Grünshict.
»Das Meer ist sehr wählerisch, wen es in die Wolken erhebt. Vielleicht hätte dieser da die Haie nicht so gut gesättigt wie die purpurnen Dinger.«
»Wir sind sehr weit vom Meer entfernt«, erklärte Gariath.
»Himmel, Meer …« Shalake zuckte mit den Schultern. »Dieser Unterschied spielt auf Jaga keine Rolle. Hier wurde so viel Blut vergossen, dass die Insel es als ihr eigenes aufgesogen und dazu benutzt hat, selbst zum Leben zu erwachen.«
»Wessen Blut?«, erkundigte sich Gariath.
»Das Blut von allen. Von Dämonen, Shen, Menschen … von Rhega .«
Noch ein Wort, das Gariath Kopfzerbrechen bereitete. »Du sprichst diesen Namen aus, als würdest du ihn schon lange kennen.«
»Wir kennen Geschichten über die Rhega«, gab Shalake zurück und senkte den Kopf ein wenig. »Aber es sind nur Geschichten. Du bist der erste Rhega , den wir seit dem Krieg gesehen haben.«
»Ein Krieg …«
Gariath erinnerte sich. Die Glocken, die Monolithen, die Zerstörung auf Jaga. Die Knochen, die Leichen, die verfallenen Waffen auf Teji. Die Geister. Die Gespenster. Die Rhega.
Großvater …
»Was für ein Krieg?«, wollte er wissen. »Gegen wen haben die Rhega gekämpft? Wie sind sie gestorben?«
»Ich bin der Kriegswächter. Ich leite die Schlacht. Ich schwinge meinen shenko. Mahalar wacht über die Geschichten.« Er betrachtete Gariaths Wunden. »Auch über die Medizin.« Er drehte sich um und ging die Straße entlang. »Komm, Rhega . Wir werden es dir erzählen.«
»Was werdet ihr mir erzählen?«
»Alles, was wir wissen.«
Er betrachtete Shalake einen Augenblick lang. Dann drang ihm ein schwacher Geruch in die Nase. Das bekannte Aroma von Furcht, Lust, Schmerz und Wut, das die Menschen immer begleitete. Es hing einen verzweifelten Moment in seiner Nase, beinahe übermächtig, als es durch die dicke Luft drang, dann verschwand es wieder.
Die Straße hinunter.
»Gibt es noch etwas anderes, worum du dich kümmern musst, Rhega ?«
Gariath blickte einen Moment lang auf die Straße, bevor er sich umdrehte.
»Nein. Nichts.«
19
TOTENLATERNEN
Unterhalb der Welt, dem Raum zwischen Erde und Hölle, schienen die Unterschiede zwischen Leben und Tod an Bedeutung zu verlieren.
Der Abgrund weitete sich unterhalb der Straße zu einem gewaltigen Graben, zu einem großen, höhlenartigen Maul, das die Sonne verschlang und sofort in einem Bauch aus Stein und Sand verdaute.
Hier hingen Spuren der Schlacht wie Nachgedanken in der Luft, wie ein übler Traum, den man niemals wirklich vergessen konnte: Leichen, die in dem fluoreszierenden Kelp festgeklemmt waren, Knochen, die die Erde bedeckten, Waffen, die in Stücke zerschmettert waren. Und dann die Glocken … sie balancierten auf Klippen, lagen halb vergraben im Sand, hingen sanft und gefährlich schaukelnd an Schlingen aus Kelp und Korallen.
In der Dunkelheit herrschte Schweigen. In der Dunkelheit lauerte der Tod.
Und doch war Licht.
Das leuchtende violette Glühen des Kelp und der Korallen wurde von dem Mangel an Sonnenlicht noch verstärkt. Es tauchte den Sand in die Farbe eines ersterbenden Himmels, verlieh den Skeletten substanzloses Fleisch und tauchte die Reflexionen von Tausenden zertrümmerter Waffen in
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