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Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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der Beweis. Diese einzigartige Gelegenheit, die Khetashe ihm gab, sich von der körperlosen Stimme in der Finsternis abzuwenden und zu einem warmen, nackten Körper im Sand zurückzukehren.
    Doch daran trug nur er allein die Schuld, das wusste er, als er um den Stein herumtrat und das Mädchen sah.
    Denn es war ein Mädchen.
    Eine sehr junge Frau.
    Trotz ihrer grauen Haare und des Schwertes, das sie in der Hand hielt, konnte sie nicht älter als fünfzehn Jahre sein. Jedenfalls hatte sie das Alter noch nicht überschritten, in dem die Jugendlichen aus einem großen Durcheinander von Ecken und Kanten und Akne und schiefem Grinsen bestanden, das sie ihrer Meinung nach gut aussehen lässt, bevor sie dann anfangen, Menschen zu werden. Sie grinste genauso, ein breites, strahlendes Grinsen, das alle Zähne zeigte, die zwischen großen blauen Augen und einer langen schwarzen Wunde saßen, die ihre Kehle aufriss.
    Es war das Grinsen, das ihn beunruhigte. Weit mehr jedenfalls als der Speer, der in ihrer Brust steckte und sie an die schwarze Gestalt hinter ihr nagelte, mehr als das Laken aus Eis, das sie wie ein durchscheinender Sarg umhüllte. Es war dieses Lächeln, als wollte sie ihn gleich bitten, ein paar Blumen für sie zu pflücken, das ihn drängte, den Blick abzuwenden.
    Er wusste immer noch nicht genau, warum er es nicht tat.
    »Du darfst mich nicht anstarren«, tadelte sie ihn. »Das ist unhöflich.«
    »Entschuldigung«, sagte er.
    Ihr Lächeln erlosch nicht. Ihre Augen waren ruhig, und das blaue Glühen strömte unvermindert aus ihnen heraus. Sie sah ihn nicht einmal an. Aber da war etwas, ein Knistern im Eis, eine Anstrengung am Rand ihres Lächelns, die ihn dazu brachte, ihr den Rücken zuzukehren.
    »Hast du einen Namen?«, erkundigte er sich.
    »Nein.«
    »Oh. Also, ich bin …«
    »Ich weiß.«
    Ihm war bewusst, dass er sie wieder anstarrte. Tatsächlich war es schwieriger, als er erwartet hatte, ein totes, sprechendes Mädchen nicht anzustarren. Er räusperte sich und wandte den Blick erneut ab.
    »Entschuldige, ich dachte nur, du wärst älter.«
    »Ich bin sehr alt«, erwiderte die junge Frau.
    »Oder weniger tot, vielleicht.«
    Obwohl es keinen Grund für diese Annahme gab. Der Letzte, den er getroffen hatte, war noch erheblich toter gewesen als dieses Kind.
    Das Bild zuckte durch seinen Kopf. Ein Mann, in Eis gehüllt an einem kalten, finsteren Ort, zusammen mit anderen Toten, die mit ihm begraben worden waren. Die Pfeile, die aus seinem Körper herausragten, die aufgerissenen Augen, der Mund, im Schrei weit geöffnet. Er dachte nur einen Augenblick daran, weil der Gedanke ihn zu sehr beunruhigte, als dass er sich gern länger damit beschäftigt hätte.
    »Ich kann mich an ihn erinnern«, sagte die junge Frau, bevor er den Gedanken verdrängen konnte.
    Er zuckte zusammen. Es war nicht sonderlich überraschend, dass sie sehen konnte, was in seinem Kopf passierte. Aber dass Leute einfach seine Gedanken lesen konnten, war etwas, an das er sich niemals gewöhnen würde; das hatte er sich geschworen. Die junge Frau bemerkte es … oder zumindest nahm er an, dass sie es tat. Es war schwer zu erkennen, da dieses Grinsen in ihrem Gesicht festgefroren zu sein schien.
    »Er redet mit mir«, sagte sie.
    »Der Mann im Eis?«
    »Der auch. Wir alle reden miteinander, durch ihn. Wir können dich durch ihn hören, wenn auch nur schwach. Du schreist ihn ständig an. Das gefällt ihm nicht.«
    Er fragte nicht. Er wollte nicht fragen. Aber er wusste es trotzdem. Die Stimme war verschwunden, die Kälte, die sie begleitet hatte, war ebenfalls verschwunden, aber ihr Verschwinden hatte eine dunkle, kalte Stelle in ihm zurückgelassen. Er konnte ihre Stimme dort fühlen, und zwischen den Echos hörte er …
    Er versuchte, nicht daran zu denken. Er versuchte, gar nicht zu denken. Das war in Anbetracht der völligen Stille ringsum schwieriger, als er dachte.
    »Frag mich.«
    Ihre Stimme riss ihn aus seiner inneren Betäubung. Er hob den Blick zu ihrem breiten Grinsen. Sie starrte durch ihn hindurch.
    »Frag mich«, wiederholte sie.
    »Das will ich nicht«, gab er zurück.
    »Das weiß ich. Frag mich trotzdem.«
    Eine Stimme, die ihm einfach sagte, was er tun musste, hätte es ihm leichter gemacht. Er hätte einfach sagen können, dass er keine Wahl gehabt hatte, dass er tun musste, was die Stimme sagte. Aber es war er selbst, der es anstarrte, dieses sprechende, tote Mädchen, er war es, der seufzte, er war es, der sprach.
    »Was

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