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Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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bist du?«
    »Nein.«
    »Was meinst du damit?«
    »Das ist die falsche Frage. Stell die richtige«, drängte die junge Frau ihn.
    »Was willst du?«
    Die Frage schien sie zu beunruhigen. Er wusste nicht genau, woran er das erkennen konnte, weil sich weder ihr Grinsen veränderte noch ihre Augen blinzelten. Aber das Schweigen war zu tief, dauerte zu lange.
    »Ich wollte, dass du mich besuchst«, antwortete sie leise. »Ich wollte, dass du überlebst.«
    »Und deshalb habt ihr die ganze Zeit in meinem Kopf herumgeschrien? Ihr alle?« Zorn mischte sich in seine Stimme. »Ihr habt so laut geschrien, dass ich mir am liebsten den Schädel eingeschlagen hätte, damit es aufhört.«
    »Ich weiß. Diesen Teil habe ich mitgehört.«
    »Warum habt ihr dann nicht aufgehört?«
    »Wir … hier unten ist es schwer, etwas zu hören. Alles ist gedämpft. Es ist so dunkel. Hier unten gibt es nichts außer Dunkelheit, und ich …« Schmerz schlich sich in ihre Stimme, ein Schmerz, der älter war als sie. »Wir können einander nicht hören. Wir können sprechen, aber wir können nicht hören. Aber du … ich konnte … wir konnten dich hören. Wir wollten, dass du das alles überlebst. Wir wollten mit dir reden.«
    »Also habt ihr mich mit eurem Flüstern langsam in den Wahnsinn getrieben, nur damit wir uns unterhalten können? Das ist verrückt!«
    » NEIN !«
    Dieses eine Wort ließ das Eis zerbersten. Feine weiße Adern überzogen wie ein Netzwerk die Oberfläche ihres eisigen Sarkophags. Ihr gefrorenes Grinsen veränderte sich nicht, aber die Stimme, die aus ihrem Mund drang, gehörte keinem menschlichen Wesen, geschweige denn einer so jungen Frau.
    Andererseits war sie auch keins von beidem.
    »Nenn uns nicht so! Sag das nicht!« Die grollende Stimme gehörte nicht diesem Kind. »Sie haben uns genauso angesehen! Sie haben uns Verrückte geschimpft, nur weil wir waren, wer wir sind! Etwas Besseres als sie! BESSER ! Sie haben uns verraten! Wir haben uns gewehrt, und sie haben uns für verrückt erklärt und uns getötet. Wir haben das niemals gewollt! NIEMALS !«
    Lenk hatte diese Worte noch nie ausgesprochen, nicht diese Worte, und nicht so, wie die junge Frau sie hinausgeschrien hatte. Aber er kannte sie. Die Wut, die dahinter mitschwang, war die seine, der Schmerz, den sie ausstrahlten, war der seine, der Zorn, der Hass, die Kälte …
    Dieselbe Stimme hatte in ihm gesprochen. Sie war durch seinen Verstand zirkuliert, ebenso gewiss, wie sie aus ihrem Mund geströmt war, mit all ihrem kalten Zorn.
    Er brauchte sie nicht zu fragen, was sie jetzt war. Er wusste es allein wegen der Stimme. Sie war wie er, wie der Mann in dem Eis gewesen war, wie die Stimmen in seinem Kopf. Er wusste es. Und er wollte nichts davon wissen.
    Er hatte die falsche Frage gestellt.
    Die Risse im Eis verschwanden, und der Sarkophag verfestigte sich wieder zu einer unberührten, durchsichtigen Masse. Ihr Grinsen war unverändert.
    »Entschuldige«, wimmerte sie. »Manchmal wird er sehr laut. Ich kann ihn nicht daran hindern, dies zu tun.«
    »Das konnte ich auch nicht. Es ist schon gut.«
    »Es ist nicht gut. Er ist böse auf dich. Er macht sich Sorgen um dich. Das hat er mir erzählt. Wir sind hierhergekommen, um sie zu suchen, genau wie du es getan hast.«
    »Sie?«
    Die Augen des Mädchens weiteten sich unmerklich. Das Licht, das ihrem starren Blick entströmte, wurde stärker, vertrieb die Dunkelheit und tauchte den Abgrund in ein weiches, leuchtendes Blau. Lenks Augen weiteten sich ebenfalls, wenngleich ohne zu leuchten, ohne zu schimmern oder irgendetwas anderes in ihnen außer dem Entsetzen, das sich rasch über sein ganzes Gesicht ausbreitete.
    Die Wände des Abgrundes schimmerten.
    Die Wände bewegten sich.
    Die Wände waren lebendig.
    Sie wanden sich, schoben sich übereinander, drängten sich zusammen, als wären sie schüchtern und würden vor ihm zurückweichen. Bevor sie sich dann dazu herabließen, sich umzudrehen und ihm ihre Unterseite zuzuwenden, die von bebenden, runden Saugnäpfen überzogen war, die ihm schleimbedeckte Küsse zuwarfen.
    Es waren Tentakel. In allen möglichen Größen. Dutzende von ihnen, die an den Wänden entlangglitten, sich umeinander schlangen wie glatte, gummiartige Blumenbuketts. Sie tasteten herum, sie griffen in die Luft, sie suchten, sie forschten.
    Aber nicht nach ihm. Sie schienen keinerlei Notiz von ihm zu nehmen, während sie blind über den Stein glitten, auf den Sand schlugen. Einige von ihnen waren so

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