Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
traten sie vor. Stumm gingen sie an ihm vorbei. Und ohne ein Wort ergriffen sie die Klauen der Abysmyths, leisteten keinen Widerstand, als sie die gallertartige Substanz in ihre Schlünde gleiten ließen.
Dann war das Schweigen vorbei, wich dem Geräusch von schmatzenden Lippen und schlürfenden Zungen, dem sanften Stöhnen unerwarteten Entzückens und dem feuchten Würgen derer, die unvorbereitet waren. Das Schweigen war gebrochen. Dem Mund war eine Antwort gegeben worden. Der Mund hörte.
Es war jedoch Hanth, der seine Hände an die Ohren presste, einen Moment zitternd dastand und sie dann an den Seiten herabsinken ließ.
Sie waren schon einmal dort gewesen.
Als Licht und Geräusche noch etwas bedeuteten. Bevor die Lieder mit Worten verunreinigt worden waren. Bevor das Licht wusste, wie es einen Schatten werfen konnte.
Sie hatten bereits gesehen, wie jene Dinge fortgenommen worden waren.
Durch Sterbliche. Durch Stein. Durch Himmel.
Sie hatten gelernt, ohne all dies zu leben.
Hier unten gab es kein Licht; die Feuer der steinernen Stadt über ihnen waren erloschen, und der Mond hatte sein Auge abgewandt. Hier unten gab es keine Geräusche; das Wasser wusste nicht, was Geräusche waren.
Aber hier unten gab es Leben.
Sie beobachteten es aus vier goldenen Augen, als sie in langsamen Kreisen um ihn herumschwammen. Die Gläubigen bewegten sich über seine große Haut mit ihren Hämmern, trieben mit geräuschlosen Schlägen armlange Nägel in ihn hinein, während schwimmende Funken aufblitzten.
Er beschwerte sich nicht. Er saß da, zwischen den Felsen und dem Sand, endlich frei. Sein Herz jedoch war schwach, schlug kraftlos. Er mochte frei gewesen sein, aber die Jahre in seinem Gefängnis hatten ihm Schmerzen bereitet. Schmerzen, die ihn unempfindlich für die Nägel machten, die in seine Haut getrieben wurden, und für die Funken, die über seinen Körper stoben.
In weiter Ferne bewegte sich etwas. Sehr weit entfernt sprach jemand in einem Lied ohne Worte, in einer Sprache ohne Bedeutung. Sie wandten ihre beiden Köpfe dorthin.
»Kannst du es hören?«, fragten sie ihn. Er sagte nichts, und sie runzelten die Stirn. Der Schmerz hatte ihn taub gemacht. »Sie haben dir das angetan. Sie haben dich in Schweigen gefesselt, wo du nur dem Donnern deines eigenen Herzschlages lauschen konntest.«
Er sprach. Seine Stimme klang wie der letzte Stern, der vom Himmel fiel und nur ein schwarzes Loch über der Welt zurückließ.
»Ah«, sagten sie und lächelten. »Du interessierst dich nicht für sie. Nur für Sie.«
Er forderte. Seine Worte klangen wie das Blubbern und Murmeln von Schlamm, aus dem lebende Dinge herauskrochen.
»Wir hören Sie. Die Gläubigen hören Sie.« Ihre Stimme floss vor Trauer beinahe über. »Und du nicht.«
Er fragte. Irgendwo verwelkte Gras, und ein Kleinkind schrie vor Schmerz auf.
»Wir werden nicht länger warten«, sagten sie und schwammen um ihn herum. »Wir werden Sie nicht länger leiden lassen. Die Gläubigen müssen Sie klar und deutlich hören. Die Welt muss hören, wie Sie sich erhebt. Es möge geschehen.«
Irgendwo in dem Berg, aus dem er bestand, glomm ein Licht. Ein rotes Licht, das die Dunkelheit nicht verstand. Es wurde mit jedem bedrohlichen Schlag seines Herzens größer, bis er nur noch Geräusch war, nur noch Licht, alles.
»Erhebe dich«, flüsterte Machtwort. »Daga-Mer.«
Die Gläubigen fielen von ihm herab, er schüttelte ihre weißen Körper und ihre Hämmer ab wie Schnee und Asche, als er sich bewegte. Er stand auf, und die Felsen zerbarsten stumm unter ihm. Er holte tief Luft und öffnete seine Augen.
Die Welt wurde in Licht gebadet.
Er ging über Riffe und Felsen, über Sand und Stein, und die zerschmetterte und bebende Erde war stumm im Vergleich zu dem Sturm, der in seiner Brust dröhnte. Er ging, und sie folgten.
Im Schatten, im weißen Licht, in einem Meer aus blauen Sternen, folgten sie ihm. Die Hirten, die Sermonika, die Gläubigen. Seine Söhne und seine Töchter und seine Gefolgsleute, verraten von den Göttern, verachtet von der Erde und dem Himmel. Sie folgten ihm, so wie er Ihr folgte.
Daga-Mer ging mit seiner Herde. Nach Jaga. Zu Abgründiger Mutter.
Und die Erde schrie ihm nach, ein Schrei ohne eine Sprache.
ZWEITER AKT VERGESSENER HIMMEL,
WOGENDES MEER
10
WENN WAHNSINN NICHT DIE
ANTWORT IST, WARUM BEHALTEN
WIR DANN DIE STIMMEN?
Das Äonstor.
Riff Des Toten Mannes (Das ist vielleicht nicht der tatsächliche Name des Riffs, aber es klingt
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