Die Tortenbäckerin
und eure Billetts sind auch schon bezahlt.«
Lotte verstand zweierlei. Erstens: Der Auftraggeber konnte nur Christoph Hansen sein, wer sonst hätte das nötige Geld und ein Interesse daran, dass sie verschwanden? Zweitens: Dieser Bär hatte mindestens die doppelte Summe erhalten, um sie an die Krögers weiterzugeben. Aber er behielt einen Teil für sich, zusätzlich zu seinem Entgelt.
Dann tauschte sie einen schnellen Blick mit Hans. Sie dachten beide dasselbe. Wenn Christoph Hansen sieunbedingt loswerden wollte, dann war das eine Kuh, die noch ordentlich gemolken werden konnte. Sie würden sich einfach die Billetts geben lassen und dann verschwinden, sobald der Bär und seine Neger abgezogen waren.
Doch es kam ganz anders. Die drei Männer dachten gar nicht daran, sie aus den Augen zu lassen. Sie blieben an ihrer Seite, bis sie im Büro der Auswanderungsbehörde die nötigen Papiere bekommen hatten. Alles ging so schnell und einfach, dass Lotte klarwurde: Hier war viel Schmiergeld geflossen. Die drei Männer gingen sogar mit aufs Schiff und blieben bei den Krögers, bis sie einen Platz im Zwischendeck gefunden hatten. Sie lieÃen sie nicht einmal dann aus den Augen, als die »Hammonia« bereits von zwei Schleppern aus dem Hafen gezogen wurde. Und sie fuhren einen ganzen Tag lang mit, bis sie Cuxhaven erreichten. Erst dort, kurz bevor das Schiff auf die offene See hinausfuhr, sprangen sie in eine Schaluppe und lieÃen sich an Land bringen.
Für die Krögers gab es keine Möglichkeit, noch umzukehren.
34
M it dem Monat Mai kam der Frühling endlich auch nach Altona, obgleich in der GeorgstraÃe von der grünenden und blühenden Natur kaum etwas zu sehen war. Einzig die kümmerlichen Kastanienbäume am Evangelischen Kirchhof trieben tapfer ihre Blüten, und zu ihren FüÃen bahnte sich hier und da saftig gelber Löwenzahn seinen Weg in die warme Sonne. Aber als Greta an diesem Abend vom »Dreimaster« nach Hause eilte, hatte sie keinen Blick für das bisschen Natur. Morgen, dachte sie, morgen ist der groÃe Tag. Um sieben Uhr früh sollte sie sich mit Leni in der Augenklinik in Hamburg einfinden. Alles war geregelt. Die Operation sollte um acht Uhr stattfinden, der Eingriff selbst und zwei Wochen Aufenthalt in der Klinik waren von Cornelius Hansen bezahlt worden.
Vor einer Woche war Christoph nach Afrika abgereist. Zuvor war er persönlich nach Altona gekommen. Er hatte plötzlich in Gretas Wohnungstür gestanden, mit einem schiefen Lächeln im Gesicht und einem unsicheren Blick, der zu fragen schien: Können wir Freunde werden?
»Komm herein«, hatte sie gesagt und ihm den alten Sessel angeboten. Sie hatte ihn gemustert und festgestellt, dass er schon wieder recht gesund aussah, wenn er auch noch sehr mager war.
»Ich bin seit drei Wochen fieberfrei«, hatte er gesagt. »Selbst unser strenger Dr. Weià hat nichts dagegen, wenn ich nun fahre. AuÃerdem dauert die Seereise ein paar Wochen. Ich kann mich auf dem Schiff auch noch erholen.«
»Gut. Ich hoffe, es wird dir gutgehen in deiner neuen Heimat.«
In seine Augen war ein glücklicher Glanz getreten. »Das wird es. Das wird es ganz sicher.«
Er hatte sich dann bald wieder verabschiedet, und Greta war insgeheim froh darüber gewesen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Siggo ihn in ihrer Nähe gesehen hätte. Andererseits â Siggo hielt sich seit Lenis Geburtstagsfeier mal wieder fern von Greta. Von Gerlinde erfuhr sie nur, dass er jeden Tag von Morgengrauen bis weit nach Sonnenuntergang wie ein Besessener arbeitete und auch mit seiner Familie nur das Nötigste sprach. »Ich habe schon einmal versucht, ihn zur Vernunft zu bringen, liebe Greta, aber es ist sinnlos.«
Gretas eigene Wut auf Siggo war inzwischen verraucht. Sie versuchte zu verstehen, was in ihm vorging, begriff, wie sehr er in seinem Stolz verletzt war, weil nicht er es war, der Leni und ihr half. Doch sie fühlte auch eine bleierne Müdigkeit, wenn sie an ihn dachte. Liebe, so meinte sie manchmal, sollte leicht und glücklich sein, sonst zerbricht sie unter der Last der Sorgen.
Zu Hause warteten Leni und Mathilde auf sie.
»Ich darf heute Abend alles essen, was ich will«, rief Leni zur BegrüÃung. »Weil ich morgen ja nicht frühstücken darf. Deswegen habe ich mir Pfannkuchen, Vanillepudding, Erdbeercreme und Schokoladentorte
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