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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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während der Winter zu Ende ging, war der Schnaps Lottes bester Freund geworden.
    Der Nebel kehrte zurück, all ihre Sinne schrien nach Wasser. Lotte hob den Krug hoch und setzte ihn an ihre aufgesprungenen Lippen. Verdammt! Kein Tropfen mehr drin. Lotte schlurfte zur Tür. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Hans nicht im Bett lag. Sie zuckte nur mit den Schultern.Es kam in letzter Zeit immer öfter vor, dass ihr Mann in der Nacht nicht mehr den Weg nach Hause fand. Irgendwann würde er schon auftauchen. Jetzt brauchte sie erst mal Wasser.
    Gott sei Dank. Der Krug in der Küche war noch halbvoll. Das Wasser roch zwar etwas faulig, aber sie trank es trotzdem. Sie hatte schon Angst gehabt, sie müsste runter in den Hof zur Pumpe.
    Gerade als Lotte den Krug wieder abstellte, wurde mit einem lauten Krachen die Tür zur Wohnung eingetreten. Sie kreischte auf.
    Â»Hans! Bist du verrückt?«
    Aber es war nicht Hans, der dort stand. Es war ein riesenhafter Mann. Groß wie ein aufgerichteter Bär. Er verzog angeekelt das Gesicht, als er die abgehärmte Frau im zerschlissenen Nachthemd erblickte.
    Neben ihm erschienen zwei nicht minder furchteinflößende Neger.
    Â»Lotte Kröger?«, fragte der Riese.
    Â»J… ja«, stammelte sie. Nass und warm rann es an der Innenseite ihrer Schenkel hinunter.
    Â»Anziehen, Sachen packen, mitkommen.«
    Â»Wo… wohin?«
    Eine Hand, die eher einer Bärentatze glich, fuhr durch die Luft. »Das erfährst du dann schon. Also los. Du hast fünf Minuten.«
    Lotte war wie gelähmt. Ihre Stimme zitterte. »Und mein Mann?«
    Â»Der wartet auf dich, keine Sorge.«
    Der Bär holte eine goldene Taschenuhr aus der Weste und klappte sie auf. »Vier Minuten und vierzig Sekunden.«
    Lotte war nie richtig zur Schule gegangen, aber sie war nicht dumm. Sie wusste, entweder ging sie freiwillig mit, oder sie würde diesen Besuch nicht überleben.
    In rasender Eile verschwand sie im Schlafzimmer und warf sich ein Kleid über. Waschen konnte sie sich nicht. Sie hatte sowieso kein Wasser mehr. Dann sah sie sich gehetzt um. Worin sollte sie ihre Sachen mitnehmen? In der Küche stand noch eine alte Holzkiste, die musste gehen. Sie raffte ihre wenige Habe zusammen, nahm im letzten Moment auch noch etwas Wäsche, eine Hose und zwei Hemden, für Hans mit. Dann lief sie in die Küche und stopfte alles in die Kiste.
    Schon war sie auf der Treppe und stolperte nach unten. Vor ihr gingen die beiden Neger, hinter ihr stapfte der Bär die Stufen hinab. Auf der Straße wartete eine Mietdroschke, darin hockte Hans, mindestens ebenso verängstigt wie sie selbst.
    Seine Kleidung war zerrissen, offenbar hatte er sich gegen seinen Abtransport gewehrt, wo immer der auch stattgefunden haben mochte. Wahrscheinlich in seiner Lieblingskneipe, dachte Lotte. Obwohl er selbst nicht besonders gut roch, rümpfte er die Nase, als sie einstieg. Lotte tat, als würde sie es nicht bemerken. Sie gab ihrem Mann Hose und Hemd, dann fuhr die Droschke an, und sie fielen in die Polster zurück. Niemand sagte ein Wort, bis die schnelle Fahrt zu Ende war.
    Â»Wo sind wir?«, fragte Lotte verängstigt, als sie ausstiegen.
    Â»Amerika-Kai«, knurrte der Bär. »Heute ist euer Glückstag, ihr dürft auswandern. Und das hier soll euch den Start erleichtern.«
    Nur ein Zaun trennte sie von einer großen Menschenmenge. Lotte begann zu zittern. So viele Menschen waren da, dicht zusammengedrängt. Einige waren einigermaßen gut gekleidet, aber die meisten trugen Lumpen und sahen aus, als hätten sie sich seit Wochen nicht mehr gewaschen. Alte, Junge, kleine Kinder. Ganze Dörfer vielleicht. Es schien, als riefen sie alle durcheinander, in Sprachen, die Lotte nicht verstand. Irgendwo hatte sie mal gehört, dass viele Leute aus dem Osten über Hamburg nach Amerika auswanderten. Wie dieses Judenpaar aus Galizien, das Leni mitnehmen wollte. Weiter hinten standen Baracken aus dunklem Holz. Anscheinend wohnten viele Menschen hier über Wochen, bis sie aufbrechen konnten. Ihr grauste davor, mit diesem fremden Pack ein Lager teilen zu müssen. Sie musste sich etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
    Am Kai stand ein eiserner Riese unter Dampf. »Hammonia«, war an seinem Bug zu lesen. Lotte fand, das Schiff sah schon reichlich alt aus.
    Der Bär drückte ihr fünfzig Mark in die Hand. »Mein Auftraggeber ist kein Unmensch,

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