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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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könnte?«
    Wieder wich Greta ein kleines Stück zurück, wieder folgte ihr Lohmann. Noch zwei Schritte, dann würde sie mit dem Rücken an der hohen Ziegelmauer stehen, die den Kirchhof von der Straße trennte.
    Lohmann stieß ein gemeines Lachen aus. »Der junge Mann wird sich nicht mehr lange im Geschäft halten können. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
    Â»Ja, weil Sie es sind, der Siggo ruinieren will!« Sie fragte sich, woher sie den Mut nahm, so mit Lohmann zu reden, aber für einen kurzen Moment tat es gut, ihrem Zorn und ihrer Angst Luft zu machen.
    Â»Hört, hört. Dann bin ich wohl der böse Bube im Spiel. Sie tun mir höchst unrecht, verehrtes Fräulein Voss. Es bricht mir das Herz.«
    Mit theatralischer Miene fasste er sich an die Brust,und Greta ertappte sich bei dem innigen Wunsch, er möge wirklich einen Herzanfall haben und auf der Stelle tot umfallen. Sogleich schämte sie sich für diesen unchristlichen Gedanken.
    Â»Bitte lassen Sie mich vorbei. Ich möchte zum Gottesdienst«, bat sie.
    Â»Bedaure. Ich habe noch nicht alles gesagt, was ich zu sagen habe.«
    Greta roch seinen schlechten Atem und spürte gleichzeitig die kalte, harte Ziegelwand im Rücken. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so schutzlos gefühlt. Auch nicht an dem schrecklichen Tag, an dem sie erfuhr, dass der Viermaster ihres Vaters mit Mann und Maus untergegangen war. Auch nicht später, im Vestibül der Villa Hansen, als Friedrich mit kaltem Blick und heißen Händen über sie herfiel. Damals hatte sie nicht gewusst, was auf sie zukam. Heute schon. Heute war ihre Furcht um ein Vielfaches größer.
    Lohmann zog einen Handschuh aus und strich ihr mit dicken Fingern eine Locke aus der Stirn. »Sie werden doch keine Angst vor mir haben? Ein so hübsches Mädchen wie Sie sollte sich niemals fürchten.«
    Â»Bitte lassen Sie mich gehen«, flehte Greta. Ihr Zorn war jetzt verflogen. Pure Angst beherrschte sie. Die Erinnerung an damals, an Friedrich, an seine harten Finger, an das … Unaussprechliche, stürmte auf sie ein und ließ sie erzittern. Ihr war, als spürte sie noch einmal den flammenden Schmerz, als bräche sie noch einmal in zwei Teile, als glaubte sie noch einmal, sterben zu müssen.
    Wieder war sie einem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sein Ton veränderte sich, wurde scharf undböse: »Ich bin jedoch nur nett zu Menschen, die auch zu mir nett sind.«
    Auf einmal drang der Klang weiterer Stimmen in ihr Bewusstsein. Zwei Männer unterhielten sich auf der anderen Seite der Mauer, gleich würden sie durch die Pforte treten. Eine der Stimmen gehörte zu Pastor Lorenz. Auch Lohmann hörte ihn sprechen, machte zwei Schritte von Greta weg, wandte sich um und lüftete seinen Hut. »Guten Morgen, verehrter Herr Pastor. Ist es nicht ein herrlicher Tag?«
    Â»Fürwahr, das ist es«, erwiderte der junge, jedoch keineswegs dumme Gottesmann. Sein Blick flog zwischen Greta und Lohmann hin und her, aber als Greta die Gelegenheit ergriff und rasch auf die Kirche zueilte, sah er ihr nur nachdenklich hinterher.
    Lohmann machte sich eiligst in die entgegengesetzte Richtung davon.
    Â»Haben Sie gesehen, wie blass Fräulein Voss war?«, fragte Pastor Lorenz seinen Begleiter, erntete aber nur ein gleichgültiges Schulterzucken. Kurz darauf vergaß er den Vorfall, doch Greta musste während des gesamten Gottesdienstes ein Zittern unterdrücken.
    Als sie wieder auf die Straße trat, galt ihr erster Gedanke Siggo. Sie wollte zu ihm laufen, ihm alles erzählen und … Greta blieb stehen. Und was? In seine Arme sinken? Schutz finden bei diesem großen, starken Mann? So ein Unsinn! Sie liebte Christoph, würde ihn immer lieben. Sie wartete nur darauf, dass er aus Afrika heimkehrte und sie zum Traualtar führte. Mit aller Kraft hielt Greta diesen Gedanken fest und spürte erschrocken, wie schwer das war. Als würde die große Entfernung zwischen ihr und Christophalle Worte und Gefühle verschlucken. Bis nichts mehr übrig war. Nur ein leerer, einsamer Platz in ihrem Herzen.
    Â»Unsinn!«, rief Greta diesmal laut. Die schreckliche Begegnung mit Lohmann hatte sie durcheinandergebracht. Alles andere bildete sie sich nur ein.
    Trotzdem entschied sie sich gegen einen Besuch bei Siggo. Der Freund hatte schon genug Sorgen. Warum ihm noch mehr aufbürden?

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