Die Tortenbäckerin
ein und brachte den Mann kurz aus dem Konzept. Dann sprach er weiter: »Die armen Leute wünschen sich eine Tochter, und da dachte ich, ich kann ihnen helfen.«
»Für klingende Münze, versteht sich«, sagte Siggo, dem die Zusammenhänge nun klarwurden.
Hans Kröger achtete nicht auf ihn, sondern wandte sich an Greta: »Sie sind ja nicht mehr gekommen. Ãber einen Monat lang nicht. Und Geld haben Sie auch nicht mehr geschickt. Was sollten wir denn machen? Ich bin sogar mal zur Villa Hansen gefahren, und eines derKüchenmädchen hat mir verraten, dass der junge Herr Christoph abgereist ist, zu den Negern nach Afrika. Da habe ich gedacht, Sie sind auch weg.«
»Aber ich war hier«, gab Greta mit bebender Stimme zurück. »Vor zwei Tagen. Und ich habe Ihrer Frau die ausstehende Summe ausgehändigt. Trotzdem hätten Sie Leni weggegeben, wenn das Wetter besser gewesen wäre. Sie hätten meine Tochter verkauft, die Ihnen anvertraut war. Zu Weihnachten verkauft!«
Kröger rieb sich sein stoppeliges Kinn. »Na ja, die Juden feiern kein Weihnachten, denen wärâs egal gewesen.«
Siggos Faust kam zu schnell. Kröger konnte nicht mehr ausweichen. Knochen knirschten, er schrie auf, Blut lief aus seiner Nase. »Hilfe!«, rief er. »Zu Hilfe!«
Im nächsten Moment schloss sich Siggos Hand um seine Kehle. »Noch ein Laut, mein Freund, und du bist für immer still.«
Greta stand wie erstarrt. »Bitte nicht«, flüsterte sie. Die Türen zum Schlafzimmer und zu Lenis Kammer öffneten sich fast gleichzeitig. Lotte Kröger stürzte auf Siggo zu und riss an seinen Haaren, Leni tastete sich flink durch die Stube, fand mit sicherem Instinkt Greta und versteckte sich in den Falten ihres schweren Wollrocks. Erstaunt stellte Greta fest, dass die Kleine vollständig angezogen war. Sie wusste nicht, ob Leni schon eine Weile wach gewesen war und sich selbst angekleidet hatte, oder ob sie in ihren Sachen schlafen musste.
»Aufhören!«, rief Greta. »Alle zusammen! Oder ich rufe einen Schutzmann!«
Das wirkte. Mit der Polizei wollten die Krögers nichts zu tun haben. Lotte lieà von Siggo ab, der wiederum seinenGriff um Hansâ Kehle lockerte. Schwer atmend drehte er sich dann zu Greta um und erblickte das Kind.
Plötzlich ging eine Verwandlung mit ihm vor. Sein Gesicht wurde weich, in seine Augen trat ein zärtliches Leuchten, sein Mund lächelte. »Hallo, Leni«, sagte er.
Zwischen Gretas Rockfalten rührte sich nichts.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Siggo. »Hier, magst du eine Zuckerstange?«
Greta staunte. Sie hatte nicht daran gedacht, etwas mitzunehmen.
Er hielt das SüÃwerk ganz dicht vor Lenis Kopf, und sein Lächeln wurde breiter, als eine kleine Hand danach griff. »Möchtest du heute Nacht mit uns nach Hause kommen? Es gibt heiÃen Kakao und Plätzchen.«
»Zu Greta nach Hause?«, fragte die hohe Stimme zurück.
»Ja«, sagte Greta. »Zu mir. Weil Weihnachten ist.«
Lenis heftiges Nicken brachte Gretas Röcke ins Schwingen.
»Fein«, sagte Siggo. »Greta, geh schon mal mit der Kleinen vor. Ich komme gleich.«
Sie tat wie geheiÃen, und als Siggo sie wenige Minuten später im engen Durchgang zwischen den Häusern einholte, wirkte er zufrieden. »Der wird kein Kind mehr verkaufen«, teilte er Greta mit. »Hans Kröger und seine Frau werden Leni künftig die Pflege zuteil werden lassen, die ihr zusteht.«
Sie sagte nichts, wollte lieber nicht wissen, wie er Hans Kröger dieses Versprechen abgerungen hatte.
»Auf Dauer ist das aber keine Lösung«, fügte Siggo hinzu.
»Nein«, sagte Greta hilflos. »Ist es nicht.«
Sie erreichten die StraÃe, und Moritz empfing sie mit einem Schnauben.
»Ein Pferd«, sagte Leni. »Ein sehr groÃes Pferd.«
Staunend blickten Greta und Siggo sich an.
»Woher weiÃt du das?«, fragte dann Siggo und ging in die Hocke.
Leni kicherte. Alle Angst schien verflogen. »Das Schnauben ist ganz weit über mir. Hebst du mich hoch, damit ich das Pferd streicheln kann?« Vertrauensvoll streckte sie ihre Ãrmchen aus.
Siggo nahm sie auf einen Arm und wickelte sie in seinen pelzgefütterten Paletot, den er mit der freien Hand vom Kutschbock zog. Dann nahm er ihre kleine Hand und führte sie vorsichtig zu Moritzâ groÃem Kopf.
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