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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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Wenn er von Lohmanns Drohungen erfuhr, würde er womöglich etwas Unüberlegtes tun und seine Lage damit nur verschlimmern. Daran wollte Greta auf keinen Fall schuld sein.
    Nein, entschied sie. Es war klüger, zu schweigen. Außerdem hatte sie nicht vor, Oswald Lohmann noch einmal in die Falle zu gehen.

    Kommerzienrat Bernhard Müller, Großhändler von Waren aller Art, schüttelte bedächtig den Kopf und brachte dabei seinen großen grauen Schnauzbart zum Schwingen. »Herr Freesen«, sagte er langsam. »Sie haben sich um eine volle Stunde verspätet. Wie soll ich meine Termine einhalten, wenn ich mich auf Sie nicht verlassen kann?«
    Siggo sprang vom Kutschbock herunter und warf seinen Pferden zwei alte Decken über. Er hatte heute früh die beiden schweren belgischen Kaltblüter angespannt. Hans und Helene waren zwei Rotschimmel mit mächtigem Rumpf und breiten Schultern. Doch selbst für diese beiden starken Zugpferde war die Anstrengung beinahe zu groß gewesen. Jetzt dampfte ihr Fell in der Kälte und schimmerte dunkel vor Schweiß. Der Weg vom Hafen in die Wilhelmstraßewar heute noch beschwerlicher als gewöhnlich gewesen, weil an schattigen Stellen das Kopfsteinpflaster mit einer dünnen Eisschicht überzogen war. Siggo hatte zwar vorgesorgt und die Hufe seiner Pferde mit selbstgebastelten Gummischuhen überzogen, dennoch waren Hans und Helene mehrfach ins Rutschen geraten, und ein paarmal hatte Siggo eine Pause einlegen müssen. Die ohnehin knapp bemessene Fahrtzeit konnte er auf diese Weise nicht einhalten, zumal die Fracht besonders schwer war: zwei Klafter Tropenholz aus Südamerika.
    Â»Das habt ihr gut gemacht.« Siggo klopfte die beiden kräftigen Pferdehälse und wandte sich dann zu Müller um.
    Â»Bei dem Glatteis bin ich froh, dass ich überhaupt heil angekommen bin. Auf dem Weg habe ich zwei Unfälle beobachtet. Ein Automobil hat einen Straßenköter überfahren und ist dann an einen Laternenpfahl geknallt. Und ein Veloziped ist außer Kontrolle geraten und direkt vor der Pferdetram umgekippt. Der junge Fahrer konnte sich gerade noch retten.«
    Â»Verstehe ich, mein Junge. Verstehe ich ja. Die Bedingungen sind schwierig. Trotzdem steht sich der Fuhrmann von der Möbelfabrik da hinten die Beine in den Bauch, und ich muss es am Ende ausbaden.«
    Siggo knirschte mit den Zähnen. Was das hieß, wusste er genau. Müller würde ihm für die Verspätung einen Teil des Lohnes abziehen, und er musste das wohl oder übel akzeptieren. Zwischen Weihnachten und Neujahr lief das Geschäft ohnehin noch schleppender als sonst, und einen neugewonnenen Kunden wie den Großhändler durfte er nicht verärgern.
    Er sah zu, wie ein paar Männer unter lautem Ächzenund Stöhnen das Holz von einem Wagen auf den anderen umluden, und machte sich bereit heimzufahren.
    Â»Nicht so schnell, mein Guter.« Müller hielt ihn am Ärmel fest. »Ich habe noch einen zweiten Auftrag. Der Dampfer mit den sibirischen Pelzen ist endlich eingelaufen. Gestern steckte er den ganzen Tag im zugefrorenen Kaiser-Wilhelm-Kanal fest, aber heute ist er durchgekommen und liegt im Osthafen.«
    Für einen Moment vergaß Siggo die Kälte und alle Sorgen und erinnerte sich an den vergangenen Sommer. Da war Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich nach Kiel gereist, um den Schlussstein dieser künstlichen Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee zu legen. Am Tag vorher hatte der Kaiser die Stadt Hamburg besucht, und Siggo gehörte zu den vielen begeisterten Zaungästen, die ihm einen jubelnden Empfang bereiteten. Auch in Altona, das ja viel mehr seine Stadt war, da sie zu Preußen gehörte, hatte er sich blicken lassen.
    Oh, wie hoffnungsvoll hatte Siggo selbst damals noch in die Zukunft geblickt! Der neue Kanal, benannt nach Kaiser Wilhelm I., würde nicht nur der Kriegsflotte des Reiches den langen Umweg über Dänemark ersparen, sondern auch der Handelsschifffahrt einen Aufschwung bescheren. Und er selbst, Siggo Freesen, wollte davon ebenfalls profitieren. Er würde seinen Fuhrpark erweitern und an dem neuen schwungvollen Handel teilhaben. Doch im Sommer hatte sein Konkurrent Oswald Lohmann ihn noch nicht so weit in die Enge gedrängt gehabt wie jetzt. Im Sommer war Siggo noch davon überzeugt gewesen, es besser zu machen als sein Vater.
    Nun, es half nichts, vergangenen Träumen

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