Die Tortenbäckerin
nicht, mein kleiner Liebling. Aber ich gebe mir Mühe.«
Damit gab sich Leni zufrieden. »Und du kommst auch?«, fragte sie Siggo.
»GroÃes Ehrenwort.«
»Und du bringst Moritz mit?«
»Nun, vielleicht auch Max.«
Darüber musste Leni einen Moment nachdenken. Sie runzelte die Stirn und legte einen Finger an die Lippen. SchlieÃlich nickte sie voller Ernst. »Gut. Max darf auch kommen.«
Auf der Rückfahrt sollte Siggo Greta bei Familie Klasen am Mittelweg absetzen. Sie sprachen beide nicht viel. Greta war von Dankbarkeit erfüllt. Siggo neben ihr strahlte Wärme und Kraft aus. Sogar Christophs Bild war in dieser Nacht verblasst. Frieden breitete sich in ihrem Innern aus, und Greta fühlte sich zuversichtlich wie schon lange nicht mehr.
13
S chon zwei Tage nach Heiligabend verwandelte sich Gretas Zuversicht in nackte Angst. Sie war gerade auf dem Weg zur Kirche, als der Fuhrunternehmer Oswald Lohmann sie abpasste und mit vor Bosheit funkelnden Augen auf sie zukam.
Er trug einen bodenlangen Mantel aus Kaninchenfell, der seine ohnehin schon beträchtliche Körperfülle noch gewaltiger erscheinen lieÃ. Er sah aus wie ein riesiger, gefährlicher Bär. Breitbeinig versperrte er ihr den verschneiten Weg zu Sankt Johannis.
Sie erschauderte.
»Frohe Weihnachten«, sagte Lohmann kalt und machte einen Schritt auf sie zu.
Greta sah sich nach Hilfe um. Vergeblich. Sie war ganz allein. Die meisten Gläubigen hatten die Gottesdienste am Heiligen Abend oder am ersten Feiertag besucht. Heute, am zweiten Weihnachtstag, würde das groÃe Kirchenschiff bis auf wenige Menschen leer bleiben. Menschen wie sie selbst, die es bisher nicht geschafft hatten, die Geburt des Jesuskindes festlich zu begehen. Heiligabend hatte sie keine Zeit für die Kirche gehabt. Aber das war verzeihlich, fand Greta. Dafür hatte sie ein paar Stunden mit Leni verbringen dürfen. Gestern dann musste sie arbeiten, war schon früh um fünf von Siggo bei Familie Klasen abgesetztworden, um das Weihnachtsessen zu kochen. Heute erwartete man sie dort erst am Nachmittag, und so hatte sich Greta voller Freude auf den Weg zur Kirche gemacht. Sie wollte dem lieben Gott dafür danken, dass Leni so weit bei guter Gesundheit war und dass ihre Mutter in einem Sanatorium gepflegt wurde. Und sie wollte ihm für die guten Menschen danken, die ihr in ihrem schweren Los beistanden. Allen voran Mathilde und Siggo.
Sie hatte vergessen, dass es auch böse Menschen gab. Menschen wie Lohmann.
»Ich warte schon lange auf eine Gelegenheit, mit Ihnen allein zu sprechen.« Lohmann war jetzt so nah, dass Greta seinen schlechten Atem riechen konnte. Sie verzog angewidert das Gesicht und machte einen Schritt zurück. Er folgte ihr. »Wie gut, dass mir endlich der Zufall zu Hilfe kommt.«
Ein sicherer Instinkt sagte ihr, dass diese Begegnung keineswegs Zufall war. Seit ihrem Zusammentreffen Anfang des Monats vor der Weinhandlung Eberle hatte sie mehrfach das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Nach und nach hatte ihr Siggo auch gestanden, dass Lohmann bereits seinen Vater Erik Freesen in die Knie gezwungen hatte. »Vater hat mir nie erzählt, was Lohmann ihm angetan hat, aber seitdem ist er ein anderer Mensch.« Ja, hatte Greta gedacht, als sie Erik Freesen zum ersten Mal gesehen hatte, der arme Mann muss Schlimmes erlebt haben. Der Niedergang seines Unternehmens konnte nicht allein die Ursache für diese Schwermut sein. Da musste noch mehr geschehen sein.
»Nimm dich vor Lohmann in Acht«, hatte sie Siggo geraten. »Der ist gefährlich.« Und dabei war ihr nie derGedanke gekommen, dass dieser gewissenlose Mensch Siggo womöglich von ganz anderer Seite treffen wollen würde. Jetzt begriff sie, doch es war zu spät.
Wieder erschauderte Greta, und das lag nicht an der Dezemberkälte.
»Mir ist da etwas Interessantes zu Ohren gekommen«, sagte Lohmann jetzt. »Sie und der junge Freesen sind Geschäftspartner.«
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und Greta ersparte sich die Antwort. Sie schaute auf die Spitzen ihrer viel zu dünnen Schnürstiefel und wünschte, der Mann würde sich wie ein böser Traum in Luft auflösen.
»Ich fürchte, wertes junges Fräulein, Sie haben sich da mit dem Falschen zusammengetan. Denken Sie einmal gut nach. Was kann Freesen Ihnen geben, was ich nicht fünffach oder gar zehnfach bieten
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