Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
eine Damenperücke übergestülpt hatte. Ich hatte Angst, ich würde zu lachen anfangen.
»Und diesmal bleibst du für immer hier?«, wollte Sven wissen, dessen Augen an meinem Gesicht klebten.
Ehe ich antworten konnte, sagte Susanne: »Das hat Helene zumindest gesagt. Die Eltern sind sehr glücklich darüber. Und sie arbeitet wirklich viel. So viel, dass sie nicht einmal Zeit hatte, sich umzuziehen, weil sie direkt aus der Backstube hierhergekommen ist.«
Meine Mutter nickte eifrig, das Lächeln noch immer wie mit einem Meißel in ihr Gesicht geschlagen. Eine waltraudsche Regel: Nie die Contenance verlieren, egal, wie sehr es in dir brodelt. Darauf konnte ich mich hundertprozentig verlassen.
Paps knuffte mich unauffällig unter dem Tisch, und als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass seine Mundwinkel amüsiert zuckten.
»Helene hat gerade einen großen Auftrag ergattert«, posaunte meine Mutter stolz über den Tisch, »von einem Modedesigner. Die Torten werden groß in einem Modemagazin erscheinen.«
»Ach wirklich? Erz… äh … erzähl doch mal«, stammelte Sven aufgeregt, während aus dem geschminkten Mündchen seiner Mutter neben ihm ein interessiertes Geräusch drang. Selbst Majestix, der bisher ungewohnt schweigsam gewesen war, beugte sich neugierig vor. Nanu, hatte Susanne etwa noch nichts weitergetratscht?
Ich zuckte mit den Schultern. »Da gibt es nichts zu erzählen, eigentlich hat Mutter schon alles gesagt, was es momentan dazu zu sagen gibt.«
Ich widmete mich wieder meiner Suppe – einer exzellenten Rinderbrühe, aber das nur nebenbei – und tat so, als würde ich nicht bemerken, dass alle am Tisch auf eine Geschichte warteten.
Schließlich verlor Majestix die Beherrschung. »Herrgott, Helene, jetzt lass dich doch nicht bitten!«, rief er heftig, und die Tischgesellschaft zuckte geschlossen zusammen und sah ihn an. Sofort riss er sich zusammen und schmalzte ölig: »Wirklich, Helene, Sven hat recht, erzähl uns bitte alles darüber.«
Die Blicke wandten sich wieder mir zu – allmählich kam ich mir vor wie in einer inszenierten Komödie -, und ich streckte die Waffen.
»Alles nicht so spektakulär, wie es sich anhört«, sagte ich, »der Designer heißt Patrick Foerster, und er plant Modeaufnahmen seiner Kleider im Schloss in Jever. Große Inszenierung in prachtvollem Ambiente. Er hätte gern einige schöne Torten als zusätzlichen Blickfang, ihr wisst schon: barocke Opulenz.«
Sven glotzte mich mit hängender Unterlippe an. Ganz offensichtlich verstand er kein Wort.
»In Jever? Wieso denn in Jever? Wieso denn nicht hier?«, blubberte Majestix.
»Wo denn wohl, Lutz?«, fragte ich zurück. »In Janssens Ausstellungshalle für Gülletransporter vielleicht? Wirklich barock und opulent. Oder in der Tanzscheune? Nichts für ungut, aber es geht nicht um Gummistiefel, sondern um Designerroben.«
»Helene! Du entschuldigst dich sofort bei den Janssens!«, rief meine Mutter erbost.
Ich sah, dass Frau Janssen pikiert die Lippen zusammengepresst hatte, aber ihr Gatte sagte aufgeräumt: »Unsinn, sie hat ja recht, Waltraud. Middelswarfen ist weiß Gott nicht der Nabel der Welt.« Er wandte sich an meinen Vater. »Werdet ihr den Auftrag zusammen machen, Peter?«
Der lachte und schüttelte den Kopf. »Es geht hier nicht um ordinäre Schwarzwälder Kirschtorte oder Frankfurter Kranz, sondern Gebilde, wie ihr sie noch nie zuvor gesehen habt. Verrückte, hohe Konstruktionen, dekoriert mit Früchten und Blumen … Helene ist eine Künstlerin, da kann ich nicht mithalten.«
Ich sah ihn gerührt von der Seite an. Sein Gesicht glühte, seine Stimme war voller Stolz. Mein Paps.
»Na, ich kann nur hoffen, dass Helene sich da nicht zu viel vorgenommen hat«, quäkte meine liebe Schwester, die offenbar nicht länger ertragen konnte, nicht im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, und sich in die Geschichte von irgendeinem Presseball stürzte, bei dem sie einigen halbprominenten Fernsehdarstellern »persönlich begegnet« war, wie sie es hochtrabend formulierte.
Ich schaltete sofort ab und widmete mich intensiv dem Hauptgang, der zwischenzeitlich aufgetragen worden war: Schweinebraten mit Klößen und Rosenkohl. Ging es noch einfallsloser? Die Unterhaltung rauschte an mir vorbei, und jedes Mal, wenn ich den Blick hob, schaute Sven schnell weg.
Lieber Gott, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, flehte ich innerlich. Dieser tumbe Pummel als Verehrer fehlte mir gerade noch.
Zum Dessert gab es – und ich
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