Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
sagte sie: »Unreif, aber lustig. Die Königin der Hausfrauen wird ausflippen. Und Susanne auch. Wenn du das bezweckst: perfekt.«
Ja, das bezweckte ich.
Ja, ich führte mich auf wie ein pubertierender Teenager, der provozieren wollte.
Ich griff meine dunkelrote Cordjacke, winkte lässig und verließ mein Zimmer.
»Ich warte mit einer Flasche Wein auf dich!«, rief Marie mir hinterher, dann hörte ich wieder ihr Gelächter.
Ich fuhr mit dem Rad und war entsprechend außer Atem und zerzaust, als ich bei Susanne und Lutz ankam. Auf mein Klingeln hin öffnete mir die First Lady die Tür. Ihr Haar war auf altmodische Art hochgesteckt, und sie trug ein geblümtes Cocktailkleid. Sie stierte mich fassungslos an und fauchte: »Wie siehst du denn aus? Bist du verrückt? Hat Mama dir nicht gesagt …?«
»Ist das Helene?«, erklang die Stimme meiner Mutter aus der Küche.
»Ja!«, rief Susanne zurück und flüsterte dann: »Jetzt komm schon rein. Du bist sowieso zu spät. Alles wartet auf dich.« Als ich mich an ihr vorbeischlängeln wollte, fügte sie hinzu: »Das wirst du büßen, Helene. Uns so zu blamieren!«
Ich lachte mir ins Fäustchen. Das klappte ja bestens.
Meine Mutter kam aus der Küche und ließ bei meinem Anblick beinahe die Suppenschüssel fallen.
»Guten Abend«, begrüßte ich sie munter und ging ins Wohnzimmer der Regenten von Middelswarfen. Die Augen sämtlicher Anwesenden wandten sich mir zu: Die meines Vaters blitzten belustigt, Dick und Doof – in vollem Ausgeh-Ornat – glotzten irritiert, Majestix runzelte drohend die Stirn.
Und wer war dieser große, dickliche Typ, der sich in einer Ecke des Zimmers an einer Flasche Bier festhielt? In dem Moment, als mir dämmerte, dass es sich bei ihm um Sven Janssen, den Sohn von Dick und Doof, handelte, wurde mir klar, was diese Veranstaltung zu bedeuten hatte. Meine Mutter hatte von ihm erzählt – mehrfach. Sven Janssen dies, Sven Janssen das. Ich hatte immer nur mit halbem Ohr zugehört, denn Sven »Doppel-Dick und Doppel-Doof« Janssen war Marie und mir schon zu Schulzeiten auf den Keks gegangen.
Aufgewachsen in dem Bewusstsein, der Thronfolger in der Familie zu sein, hatte er sich niemals anstrengen müssen, um in seinem Leben etwas zu erreichen. Das hatte ihn träge und faul gemacht. Der Hellste war er sowieso nicht.
Langsam fiel mir wieder ein, was meine Mutter erzählt hatte. Sven war seit einigen Jahren geschieden, leider kinderlos, und die Familie Janssen dringend auf der Suche nach einer Kronprinzessin mit Kinderwunsch.
Darum ging es hier, um nichts anderes. Die Fusion der Familien Bernauer und Janssen. Und so, wie ich aussah, war ich ganz sicher nicht die Wunsch-Schwiegertochter von Laurel und Hardy.
Meine Mutter durchbrach die allgemeine Erstarrung im Raum, indem sie mit betoniertem Grinsen tapfer »Zu Tisch, bitte!« flötete und zur opulent gedeckten und dekorierten Tafel im Esszimmer vorausging.
Heiliger Strohsack, dachte ich, als ich den Tisch sah. Bestes Geschirr, Tafelsilber, Blumenschmuck, kompliziert gefaltete Stoffservietten, Namenskarten. Natürlich, ich saß gegenüber von Sven. Wie unauffällig.
Majestix goss den Wein ein, meine Mutter tat allen Suppe auf und stellte die altmodische Suppenterrine dann auf einen Beistelltisch.
Alle waren aufgebrezelt, die Damen trugen schicke Kleider, Schmuck und jede Menge Haarspray, die Herren Anzug und Krawatte. Und ich mittendrin, mit einem Totenkopf auf dem Busen. Marie würde brüllen vor Lachen, wenn ich ihr das erzählte.
Links neben mir saß mein Vater, rechts Onno Janssen, die Gemahlinnen jeweils gegenüber. Susanne und Majestix thronten an den Kopfenden der Tafel und lächelten gequält. Meine Mutter, die der Runde aus einem Korb kleine Baguettescheiben angeboten hatte, starrte mich wütend an.
Schließlich sagte Susanne: »Ich wünsche einen guten Appetit.«
Alle murmelten erleichtert »Danke, ebenfalls« und griffen nach ihren Löffeln. Eine Zeit lang war nichts weiter zu hören als das Klirren der Suppenlöffel in den Tellern und leises Schlürfen.
Dann sagte Wilhelmine Janssen plötzlich: »So, Helene, du bist also wieder da und arbeitest im Geschäft deiner Eltern.«
Nun, das dürfte sich wohl mittlerweile herumgesprochen haben, dachte ich, aber ich wollte höflich bleiben und antwortete brav: »Ja, Frau Janssen, das stimmt.«
Ich blickte sie an und schnell wieder weg, denn sie sah wirklich mehr denn je aus wie Oliver Hardy, der sich in ein Kleid gezwängt und
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