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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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zoccoli als Hauptgericht. Eier für die Omelette sind auch da.« Sie schloss die Kühlschranktür wieder und blickte sich um. »Basilico?«
    Erik wies zu dem kümmerlichen Töpfchen auf der Fensterbank, das er seit Lucias Tod immer wieder durch ein neues ersetzte, obwohl die Pflanzen meist auf dem Kompost landeten, ohne ein einziges Blatt für die Ernährung der Familie Wolf geopfert zu haben. Aber da es zu Lucias Lebzeiten immer Basilikumtöpfe auf der Fensterbank gegeben hatte, war es dabei geblieben. Und gelegentlich zupfte Carolin tatsächlich mal ein Blättchen ab und legte es auf den Salat, den Erik in Plastikbehältern von Feinkost Meyer mitbrachte, wo es auch ein fertiges Dressing zu kaufen gab.
    Ein paar Minuten später entfernte Erik unauffällig die dicke Jacke, die Mamma Carlotta über die Lehne eines Küchenstuhls geworfen hatte, dann setzte er sich zu seinen Kindern und sah zu, wie seine Schwiegermutter Töpfe zum Dampfen und Pfannen zum Duften brachte. Und wie immer, wenn die Behaglichkeit ihm wehtat, stellte er Fragen wie: »Hast du deine Schulaufgaben gemacht, Felix?« oder »Wolltest du dich nicht um die Bügelwäsche kümmern, Carolin?«, ohne auf Antworten zu bestehen.
    »Jetzt erzähl uns von dem Mord, Papa!«, verlangte Felix.
    Prompt wandte Mamma Carlotta sich vom Herd ab. »Ja, erzähl, Enrico! Was ist mit der armen Frau geschehen? Und warum hat man ihr das angetan?«
    Erik seufzte, zögerte und seufzte noch einmal. Lucia hatte er am Abend gern von seiner Arbeit berichtet. Ihre Zunge war zwar oft mit ihr durchgegangen, und sie war leider auch der Ansicht gewesen, dass man überflüssige, taktlose oder verletzende Worte später nur wieder zurückzunehmen brauche, damit sie ungesagt waren, aber er hatte sich trotzdem immer auf ihre Diskretion verlassen können. Wie Mamma Carlotta mit Dienstgeheimnissen umgehen würde, wusste er nicht, und ob seinen Kindern ein Gespräch über einen Mord zuzumuten war, auch nicht. Lucia hatte es nie zugelassen, dass er vor den Kindern über die Gewalttaten sprach, die er im Dienst erlebt hatte.
    Trotzdem begann er zu berichten, was sich in dem Haus am Watt zugetragen hatte. Sehr vorsichtig, sehr sanft, unter Vermeidung aller Fachbegriffe, die in der Ermittlungsarbeit für Deutlichkeit sorgten, in den Köpfen Jugendlicher aber womöglich für Ängste und in der Einbildungskraft einer fantasiebegabten Signora gar für ein Horrorszenario mit einer Wirkung, die nicht abzuschätzen war. Erik sprach kein einziges Mal von Mord, sondern nur vom Tode der armen Frau, redete nicht von Erdrosselung, sondern allenfalls von ihrem gewaltsamen Ende und verzichtete auf jede spektakuläre Einzelheit, vor der kein Fernsehkrimi Halt gemacht hätte.
    Er genoss es, dass die Kinder an seinen Lippen hingen und Mamma Carlotta derart von seiner Erzählung gepackt wurde, dass sie ihn immer wieder mit Ausrufen des Entsetzens unterbrach. Genauso hatte es auch Lucia gemacht. Wie gerne hatte Erik sie beobachtet, während er erzählte! Wenn sie dann die Faust geschüttelt, sich die Haare gerauft, die Handkante vor der Kehle hergeführt und dabei die Augen gerollt hatte, war die Last der Erlebnisse schnell von ihm abgefallen.
    Mamma Carlotta erstach den durchwachsenen Speck, während sie zuhörte, drosselte die Salatblätter, würgte die Spaghetti, warf sie mitleidlos ins kochende Wasser und zog dem Knoblauch bei lebendigen Zehen die Haut ab. »Terribile! Was für eine Tragödie!«
    Dann setzte sie die Salatschüssel auf den Tisch. »Zwei Frauen hast du also in Verdacht? Madonna! Das ist doch nicht möglich, dass eine Frau so etwas Schreckliches tut!«
    »Für vierzigtausend Euro können Menschen zu Bestien werden«, sagte Erik. »Auch Frauen.«
    Mamma Carlotta kreuzte die Hände vor der Brust, dann sagte sie in sachlichem Ton: »Du meinst die Putzfrau, Enrico? Die Schwester hätte dagegen ein noch stärkeres Motiv. Nicht nur die vierzigtausend Euro, sondern dazu noch das Erbe.« Dann begann sie mit Felix eine hitzige Debatte darüber, ob Christa Kern kurz vor ihrem Ende noch bereut hatte, so garstig gewesen zu sein, und ob ihre Seele nach dem verlorenen Kampf in den Himmel über dem Watt aufgestiegen war …
    »Hört auf damit«, bat Carolin leise und erhob sich, weil sie als Einzige das Klingeln an der Haustür gehört hatte.
    Wenige Minuten später stand Sören in der Küche. Mamma Carlotta begrüßte ihn wie einen verlorenen Sohn, der soeben von einer Expedition ins ewige Eis zurückgekehrt

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