Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
müssen uns etwas anderes überlegen. Und nun kannst du für alles offen sein.« In solchen Momenten liebte sie ihn besonders und wusste wieder ganz genau, warum sie ihn geheiratet hatte. Außerdem sagte er nicht »du«, sondern »wir«: »Wir müssen uns etwas überlegen.« Er und sie gehörten zusammen, sie stand nicht alleine da.Er hatte die Kinder vom Kindergarten abgeholt und mit ihnen zusammen Pfannkuchen gebacken. Sara durfte sich an den gedeckten Tisch setzen und sich bedienen lassen. An diesem Abend redeten sie lange miteinander.
Drei Monate Kündigungsfrist, dachte Sara am nächsten Morgen beim Frühstück. Es war ihr erster Tag zu Hause. Die Kinder waren im Kindergarten, und draußen herrschte kaltes, aber sonniges Herbstwetter. Sie stieg in ihre gut eingelaufenen Wanderstiefel, zog eine Jacke über und ging nach draußen. Beim Spazierengehen konnte sie meistens gut nachdenken.
Sie war weiterhin festangestellt und bezog das volle Gehalt, musste aber nicht an ihrem Arbeitsplatz erscheinen. Wenn man mir während der Kündigungsfrist nicht so viele Aufträge erteilt, komme ich mit meinem Projekt voran. Was sollen die dagegen tun? Mich noch einmal entlassen?
Dann kam sie auf die Idee, dass sie sich ja auch gesundschreiben lassen konnte. Sie würde der Krankenversicherung mitteilen, dass sie nun wieder Vollzeit arbeiten könne. Zumindest auf dem Papier, und alles andere schien denen ohnehin egal zu sein.
Als sie wieder zu Hause war, setzte sie sich an den Computer. Sorgfältig las sie alle Informationen auf der Website der Krankenversicherung durch. Dann griff sie zum Hörer und erklärte dem Kundendienst, sie wolle nun kein Geld mehr. Auf die Frage, ob sie mit ihrer Sachbearbeiterin verbunden werden wolle, erwiderte sie, das sei nicht notwendig.
»Du darfst ihr gerne ausrichten, dass sie mich auch überhaupt nicht anzurufen braucht.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, dachte sie, sie hätte die Sache vielleicht zuerst mit Tomas besprechen sollen, aber dafür war es nun zu spät.
Das wird schon wieder, dachte Sara. Sie schlug den Stellenmarktder
Göteborgs-Posten
auf und studierte die Annoncen. Dann legte sie die Zeitung wieder weg. Was will ich machen, überlegte sie. Was will ich tief im Innern wirklich? Sie ging hinüber ins Arbeitszimmer und betrachtete das Whiteboard und ihre Notizen auf der grünen Glasscheibe.
Das Telefon klingelte.
»Wie steht’s?«, fragte Lycke.
»Ganz okay«, antwortete Sara. »Obwohl man mich entlassen hat. Aufgrund von Arbeitsmangel gekündigt, und nun weiß ich nicht, was passiert.«
»Das tut mir aber leid – oder wie geht es dir damit?«
»Es kommt wie gerufen. Ich mache mir zwar Sorgen wegen unserer Finanzen, aber wenn ich ehrlich sein soll, habe ich das Gefühl, dass ich diese Stelle erst hinter mir lassen muss, bevor ich weiterkomme. Da ich nun mit vollem Gehalt zu Hause bin, habe ich der Krankenversicherung erklärt, dass ich nun wieder hundert Prozent arbeiten kann, und da waren die auch sehr zufrieden. Ich möchte nie wieder so ein Krankengeldformular von denen in den Händen halten.«
»Apropos Geld, genau deswegen rufe ich an. Mein Chef war so beeindruckt von deiner Führung, dass er dich für deine Arbeit gern entlohnen würde.«
»Ist das wahr?«
»Klar. Wie viel sollen wir veranschlagen? Ich habe ja selbst gesehen, dass du viel Zeit in die Vorbereitung investiert hast.«
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Dann mache ich dir einen Vorschlag. Viertausend Kronen, allerdings vor Abzug von Steuern.«
»Bist du verrückt geworden? Viertausend?«
»Es ist ein bisschen knifflig, dass du keine Firma hast, an die wir das Geld überweisen können, aber ich werde schon eine Lösung finden. Allerdings haben vielleichtnoch mehr Leute Interesse an einer Führung – willst du dich nicht selbständig machen?«
»Selbständig? Ich?«, erwiderte Sara. »Ich weiß nicht.«
»Denk doch mal darüber nach.« Lycke legte auf.
Gut Nygård, Vargön, Frühling 2009
An diesem Abend traten zwei Pfarrer auf die Freitreppe von Gut Nygård. Schwarz angezogen und in steifen Lederstiefeln und gestärkten Pfeifenkragen, die lange darauf gewartet hatten, wieder benutzt zu werden.
Diese Stiefel hatten etwas. Kristian war ein anderer, wenn seine Füße darin steckten. Jemand, der Macht hatte. Plötzlich verstand er besser, was Marianne gemeint hatte, als sie über den Strom der Zeit und das Gedächtnis der Dinge gesprochen hatte. Seine Kleidung schien buchstäblich mit
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