Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
etwas, das mit Hexen oder Aberglauben zu tun hat?«, fragte Robban den Feuerwehrmann.
»Abgesehen davon, dass die Insel auch Blocksberg genannt wird? Klar. Auf der Südseite gibt es eine tiefe Schlucht.« Der Feuerwehrmann hatte sich ein Seil über die Schulter gelegt und machte sich bereit für den Heimweg. »Sie endet an einer Steilküste. Es gibt dort ein schwarzes Loch, das angeblich der Eingang zu einem unterirdischen Gang ist, der zum Schieferbruch in Tjuvkil führt. Dem alten Volksglauben zufolge handelt es sich jedoch um den Eingang zur Hölle. Früher haben hier viele Seemänner in der Osterzeit Hexen aus der Schlucht kommen sehen.« Er schüttelte den Kopf. »Tja. Zeit für den Abstieg.«
Obwohl es inzwischen ganz dunkel war, hatte man vom höchsten Punkt aus eine großartige Aussicht. Als sich alle gerade auf den Weg machen wollten, hielt Folke inne.
»Was ist das da?« Er zeigte auf Marstrandsön.
»Was denn?«, fragte Robban.
»Dort drüben. Hat jemand ein Fernglas?« Der Feuerwehrmann mit dem Seil öffnete eine große Tasche an seiner orangefarbenen Jacke und reichte Folke ein Fernglas.
»Auf Marstrandsön brennt es.« Folke gab ihm das Fernglas zurück.
»Was zum Teufel sagst du da?« Der Feuerwehrmann blickte durch das Fernglas. »Und alle Diensthabenden von der Freiwilligen Feuerwehr Marstrand stehen hier auf dem Blocksberg. Keine Ahnung, wer von den Kollegen zu Hause ist.« Er griff nach seinem Handy und drehte sich zu Robban um. »Wir schaffen es nicht rechtzeitig dorthin,um das Feuer zu löschen. Keine Chance. Ich muss die Feuerwehr in Kungälv anrufen, aber die brauchen mindestens zwanzig Minuten. Wenn sie Glück haben.«
Eine halbe Stunde, nachdem Folke und Robban sich auf den Weg gemacht hatten, waren Karin und Johan mit Johans Schärenboot hinüber nach Marstrandsön gefahren. Johan bezweifelte zwar, dass Karin fit genug war, aber sie hatte darauf bestanden, zumindest nach dem Rechten zu sehen. Sie hatten das Boot unten am Seniorenheim festgemacht, und Karin war auf wackligen Beinen an Land gewankt. Johan hatte Georg angerufen und gefragt, ob er sich das Lastenmoped ausleihen könne, aber Georg hatte ihm stattdessen das Quad des Schulwachtmeisters empfohlen. Wie vereinbart, stand das vierrädrige Geländefahrzeug bereits am Kai. Johan war Karin beim Einsteigen behilflich. Dann ließ er den Motor an und fuhr mit Vollgas die Återvändsgatan entlang. Er raste an der Krankenpflegestation vorbei und hinauf zur Schlossruine Gustavsborg.
Ich brauche Kraft, dachte Karin, während sie über das Kopfsteinpflaster rumpelten. Sie schlang die Arme um seine Taille und verfluchte ihren miesen Zustand.
Es ging steil hinauf, aber der Allradantrieb bewältigte den Anstieg ohne Probleme. Kaum konnte sie das Wasser in der südlichen Hafeneinfahrt sehen und die Bucht erkennen, die – wie sie nun wusste – Richtbucht hieß, bog Johan nach links auf einen Pfad ab, der zu dem Plateau führte, wo sich einst die Festung Gustavsborg befunden hatte.
Karin war sich nicht sicher, wie lange Folke und Robban bis nach Marstrandsön brauchen würden, falls sie ihre Unterstützung benötigte. Der Wind war kräftig, und im Marstrandsfjord herrschte hoher Wellengang, was ihre Fahrtzeit noch verlängern würde.
Ein leichter Brandgeruch war wahrnehmbar. Sie sah sich auf der mit Gras bewachsenen Ebene um. Große Steine legten Zeugnis von dem Gebäude ab, das hier vor langer Zeit gestanden hatte. Johan hatte angehalten und wartete auf weitere Anweisungen. Karin ließ den Blick erneut umherschweifen, diesmal nahm sie sich mehr Zeit und sah genauer hin. Bist du hier irgendwo, Marianne Ekstedt?, fragte sie sich im Stillen. Sie kniff die Augen zusammen, als könnte sie auf diese Weise besser erkennen, was sich außerhalb des Lichtkegels ihrer Scheinwerfer befand.
Da hörten sie den Schrei. Den angsterfüllten Schrei einer Frau in der Dunkelheit. Johan gab Gas, und das Motorrad suchte sich seinen Weg über das steinige Plateau. Nun sahen sie das Feuer, das langsam immer größer wurde, und die Frau oben auf dem Scheiterhaufen. Neben ihr eine kleine Kiste. Ihr Kopf hing vornüber, und ihre Haare bedeckten das Gesicht. Es war nicht zu erkennen, ob sie tot oder lebendig war, aber immerhin hatte sie vor wenigen Augenblicken noch die Kraft gehabt, laut zu schreien. Karin wusste, dass die Opfer von Bränden oft nicht durch das Feuer selbst, sondern durch die Rauchgase zu Tode kamen. Es war höchste Zeit.
Vor dem
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