Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
mit sichherumtragen sollen, die ihnen nur Energie rauben. Asko redet wenig über seine Kindheit, aber ich weiß, dass er jeden Tag an sie denkt. Er schweigt und verschließt sich. In jüngster Zeit hat er allerdings versucht, seine Erlebnisse in Worte zu fassen. Die Tür war jedoch so lange verschlossen, und sobald er sie auch nur einen Spalt öffnet, strömen ihm Unmengen von Erinnerungen und verdrängter Erlebnisse entgegen. So etwas braucht Zeit und Kraft.
Ich hatte mich ins Auto gesetzt und war bis zum Parkplatz Björndalsgården gekommen. Dort blieb ich sitzen und überlegte, was ich zu Hjördis Hedlund sagen sollte. Und was sollte ich Asko nach dem Besuch erzählen? Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass in unserem Leben kein Platz für sie war. Ich wollte die Rolle, die sie für uns spielte, nicht noch größer machen. Also ließ ich den Motor an und kehrte um. Ich weiß nicht, ob es richtig war, und nun gibt es keine Möglichkeit mehr, mit ihr zu reden. Ehrlich gesagt, ist das eine Erleichterung.«
»Du hast sie also nie gesehen?«, fragte Karin.
»Alles, was ich weiß, habe ich von Kristian.« Marianne streckte die Hand nach dem Wasserglas aus. Robban half ihr.
»Kannst du noch ein bisschen?«, fragte er Marianne, nachdem sie getrunken hatte.
»Ich glaube, wir müssen alle mit dieser Geschichte abschließen. Oder zumindest anfangen, mit ihr abzuschließen«, sagte Marianne und fuhr fort.
»Hjördis hatte offenbar einen seltsamen Stammbaum an der Wand, und Kristian kannte die Namen von Bagges Aufzeichnungen zu den Marstrander Hexenprozessen im siebzehnten Jahrhundert. Kristian vergrub sich ständig in diesen Büchern. Er nahm Kontakt zu einem Genealogen auf, weil er herausfinden wollte, ob Asko tatsächlich von Malin im Winkel abstammte, die wegen Zauberei hingerichtetworden war. Da Kristian die Namen von dem Stammbaum hatte, dauerte es nicht lange, bis er die Bestätigung bekam. Plötzlich war ihm klar, warum die Frauen sich so verhalten hatten – sie waren böse, hatten böses Blut und schwarze Seelen. Er glaubte im Ernst, sie wären Hexen. Sie zu finden war kein Problem, weil er die alte Akte vom Jugendamt gelesen hatte, die sich nun im Archiv des sozialen Dienstes befindet. Dort standen die Personenkennzahlen und alles andere.« Ohne Ironie fügte Marianne hinzu: »Wunderbares Schweden, wo man alles finden kann.«
»Und das in seiner Eigenschaft als Nachfahre von Fredrik Bagge …«, sagte Karin.
»Genau. Er betrachtete es als seine Aufgabe, die Geschichte zu beenden. Auf Nygård zu sitzen und ihm im Kerzenschein zuzuhören gehört zu den beängstigendsten Dingen, die ich je erlebt habe. Er ist vollkommen verrückt, dachte ich, konnte aber keinen Muskel meines Körpers bewegen. Das Gebäude ist riesig und der nächste Nachbar einen guten Kilometer weit weg.«
»Wenn ich Asko richtig verstanden habe, ist Kristian … enorm stolz auf seine Herkunft«, sagte Robban.
»Besessen ist er von ihr«, erwiderte Marianne. »Er erzählte mir, wie er sich Hjördis und den Schwestern genähert hatte. Stina, die mittlere Schwester von Asko, die sich Schuld nannte, hat er diesen Sommer bei einem Rollenspiel kennengelernt, ihm ist aber erst später klargeworden, mit wem er es zu tun gehabt hatte. Also lud er sie zu dem Rollenspiel in Marstrand ein. Ihre Leiche und das Richtrad hat er mit dem Pferdetransporter von Elisabet befördert. In dasselbe Fahrzeug hat er später bei der Festung Autoabgase geleitet.«
»Ich hatte mich schon gefragt, wie es zu Stinas Kohlenmonoxidvergiftung gekommen war«, sagte Karin.
»Es fällt mir schwer, mich an alle Einzelheiten zu erinnern, manches liegt wie im Nebel. Er betrachtete die Ereignisse jedoch als vorherbestimmt. So, als würde ihm das Schicksal den Weg weisen.«
»Und das Henkersschwert?«, fragte Karin und musste an Harald Bodin im Stadtmuseum denken.
»Er hatte es auf Nygård, ich durfte es mir ansehen. Ein Typ aus irgendeinem Museum hatte es unvorsichtigerweise zu einem Rollenspiel mitgebracht. Kristian hat es gestohlen. Aus seiner Sicht ein weiteres Zeichen.«
»Weißt du, wie er in Kontakt mit Ann-Louise Carlén kam, der jüngsten Schwester?«
»Sie war Immobilienmaklerin. Unter dem Vorwand, das Haus verkaufen zu wollen, lud er sie in den Rosenlund ein. Da er weiß, wo unsere Schlüssel liegen, hat sie keinen Verdacht geschöpft.«
»Kristian hätte doch bedenken müssen, dass ihr als tatverdächtig gelten würdet, weil ihr die Hausbesitzer seid.«
»Ich weiß
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