Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
betrachtet Kunst, die man sich nie im Leben leisten könnte.«
»Hättest du gern genug Geld, um dir Kunst anzuschaffen?«, fragte Jessica.
»Es gibt viele Dinge, für die ich gern genug Geld hätte. Zum Beispiel ein neu gedecktes Dach auf diesem Haus. Keine Ahnung, ob einer von euch auf dem Dachboden war, aber ich habe leider den Eindruck, dass wir diese Investition in Angriff nehmen müssen. Die Dachpappe ist vollkommen hinüber, und es regnet an einigen Stellen durch, vor allem bei Nordwind. Was meint ihr? Sollen wir uns mal nach hiesigen Zimmerleuten umhören, die vielleicht an dem Auftrag interessiert wären? Wenn wir uns alle als Handlanger zur Verfügung stellen, lassen sich die Kosten eventuell senken.«
»Aber da müssen Rickard und ich sagen, dass …«, begann Jessica, verstummte jedoch, nachdem Rickard sie scharf angesehen hatte.
»Muss das wirklich jetzt gemacht werden?«, fragte Rickard. »Kann das nicht warten?«
»Ich glaube nicht. Wenn wir noch länger warten, könntedas Haus kaputtgehen, denn es dringt bei jedem Regen Feuchtigkeit ein. Am Ende verfault das Haus, und dann wird die Renovierung noch aufwendiger und teurer.«
»Lass uns später darüber reden. Würdest du dich um das Dessert kümmern, während ich Kaffee koche, Jess?«
»Klar. Worauf habt ihr Appetit?«, fragte sie Charlie und Vendela.
»Wahrscheinlich solltest du erst mal nachsehen, was es noch gibt«, sagte Rickard.
Vendela hielt die Schale mit der gelben Sauce hoch.
»Mach es wie unsere Mutter. Fang mit der Sauce an.«
Agne Sundberg kommt in der Handelsstadt Marstrand an
Agnes war gerade am Kai von Marstrand an Land gegangen. Der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken. Sie versuchte vergeblich, das unangenehme Gefühl abzuschütteln, nachdem sie ertappt worden war. Ich muss mir selbst einreden, dass ich ein junger Mann bin, anders geht es nicht, dachte sie. Die Tragweite ihres Betrugs war ihr erst in dem Moment ernsthaft bewusst geworden, als sie in die nördliche Hafeneinfahrt einfuhren, wo ihnen ein Boot nach dem anderen voller Zollbeamter und Soldaten entgegenkam. Sie bewachten die Hafeneinfahrt und riegelten sie fast hermetisch ab, um sicherzugehen, dass alle An- oder Abreisenden einwandfreie Papiere hatten. Die Festung auf dem höchsten Punkt der Insel erinnerte an den Ort, an dem diejenigen landeten, die das Gesetz übertreten hatten. Allerdings galten gerade diese Regeln nur noch in eingeschränktem Maße, seit die Stadt zum Freihafen ernannt worden war. Agneswurde eskortiert, damit sie sich nicht vor der Anmeldung drückte. Mit schweren Schritten ging sie zu der Stelle, wo sie ihren Namen und den Grund ihres Aufenthalts melden musste. Kapitän Wikström hatte alle Hände voll mit dem Zoll zu tun, nickte ihr jedoch zu, als sie ihm zum Abschied winkte.
Obwohl es draußen bereits dunkel war, waren Leute unterwegs. Ein kleiner Junge, der keine Schuhe trug und viel zu dünn angezogen war, hielt ihr seine Mütze hin. Agnes zog ein Stück Brot aus der Tasche und reichte es ihm.
»Danke, Herr.« Unverzüglich machte sich das Kind über Josefinas frisch gebackenes Brot her.
Auf dem Kai vor ihr lag der mittlere Zoll, ein zweistöckiges rotes Holzhaus. Hinter dem Fenster sah sie einen Mann am Schreibtisch sitzen. Vor der Tür standen drei Personen Schlange. Agnes stellte sich ebenfalls an und wartete, bis sie an der Reihe war.
»Was führt Sie in die Stadt Marstrand?« Der Mann sah Agnes prüfend an und ließ seinen Blick dann zu dem bewaffneten Mann neben ihm schweifen, der jederzeit einsatzbereit war. Die gelbe Hose und die grüne Jacke verrieten, dass er den Bohusläner Dragonern angehörte. Auf der Steinschlossmuskete an seiner Seite steckte ein Bajonett, und seine Gesichtszüge waren wie versteinert. Sie war nicht darauf gefasst gewesen, dass es hier so viele Soldaten geben würde. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass einige der weniger gefährlichen Insassen der Festung außerhalb der Mauern arbeiteten und sich tagsüber frei in der Stadt bewegen durften, weil man der Meinung war, sie hätten ohnehin keine Möglichkeit, die Insel zu verlassen.
Agnes betrachtete das dicke Buch und die Eintragungen über der leeren Zeile, in der der Name von Agne Sundberg stehen sollte. Mehrmals las sie das Wort»Schulden«, »Zerrüttete finanzielle Verhältnisse« und etwas weiter unten war ein Paar verzeichnet, das gegen den Willen der Eltern heiraten wollte. In ihrem Fall war es umgekehrt.
»Was ist Ihr Anliegen?«,
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