Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
mir doch mal zu …« Johan wandte sich von ihr ab, so dass der Wind seine Stimme fortwehte und sie nicht mehr hören konnte, was er sagte. Eine Sekunde später drehte er sich wieder zu ihr um, und nun verstand sie jedes Wort. »Wunderbar,dann sehen wir uns morgen … Nein, ich werde ihr auf gar keinen Fall ausrichten, dass du gesagt hast …«
Als Johan aufgelegt hatte, fiel es Karin schwer, ihr Lachen zu unterdrücken.
»Was ist los? Hast du etwa verstanden, was ich gesagt habe?«
»Ein bisschen vielleicht … Weißt du eigentlich, wann Coop Nära zumacht? Wir müssen noch einkaufen gehen, weil ich nicht mehr viel zu essen an Bord habe.«
Johan warf einen Blick auf sein Display.
»Da mit den großzügigen Sommeröffnungszeiten nun Schluss ist, nehme ich an, dass sie am Wochenende schon um sechs schließen. Wenn wir uns sputen, erwischen wir noch die Fähre um Viertel vor sechs.«
Sie waren noch fünfzig Meter von der Fähre entfernt, als der Schlagbaum gesenkt wurde. Karin verlangsamte ihren Schritt, aber Johan rannte unbeirrt weiter, und zu Karins Erstaunen ging der Schlagbaum wieder hoch. Als sie an Bord gingen, winkte Johan dem Fährmann dankbar zu. Dieser steckte den Kopf aus seiner Kajüte und rief so laut, dass es jeder mitbekam:
»Man sollte meinen, dass du die Abfahrtszeiten inzwischen auswendig weißt, Johan!«
Die Einkaufstüten schleppte Johan. Karin dachte an Göran, der sie freiwillig nicht einmal zum Einkaufen begleitet hätte. Neugierige Blicke folgten ihnen, als sie in die Bucht Muskeviken hinein- und über den Steg zur
Andante
gingen. Die Leute waren vollauf damit beschäftigt, ihre Boote aus dem Wasser zu holen, und auf einer Bank ganz vorne auf dem Pontonsteg, direkt neben der
Andante
, saßen wie üblich die Alten in der ersten Reihe und gaben zu allem ihre Kommentare ab. Lebhaft stießen sie sich gegenseitig in die Seiten.
»Hör mal, Rums-in-die-Bude«, johlte einer von ihnen, während die anderen drei sich vor Lachen bogen. »Hat die Polente dich endlich geschnappt?«
»Da sitzt ihr Schlaumeier und zerbrecht euch die Köpfe, was?« Johan stellte die Einkäufe ab.
»Der Kerl da ist als Gast nicht zu empfehlen«, rief einer der alten Männer Karin zu und zeigte auf Johan. »Der hat dem Ålefiskarn den ganzen Bug plattgemacht.«
»Ich will ihn auch gar nicht als Gast haben«, erklärte Karin mit ihrem freundlichsten Lächeln auf dem Gesicht. Die Bemerkung verschlug den Alten den Atem. »Außerdem ist das hier ein Stahlboot«, fügte sie hinzu, »das kann man nicht so einfach plattmachen.« Sie ging an Bord und schloss die oberste Eingangsluke auf.
»Aber fischen kann er«, hörte sie die Männer weiterscherzen. »Wisst ihr noch, wie er und sein Bruder auf Aalfang gegangen sind? Schnürsenkel haben sie gefischt! Und die wollten sie räuchern …«
Die Sonne hatte den ganzen Tag auf das Boot geschienen, und nun war es in der Kajüte heiß und etwas stickig. Karin machte alle Luken auf, um kräftig durchzulüften. Hastig sammelte sie die herumliegenden Kleidungsstücke ein und sah sich auf den wenigen Quadratmetern um. Es würde schon reichen. Verdammt, dachte sie dann, hatte sie überhaupt Wein an Bord?
Johan kam zu ihr herunter.
»Wie hübsch du es hier hast. Es ist größer, als ich es in Erinnerung hatte. Martin und ich waren ja im Frühjahr einmal kurz an Bord, falls du dich erinnerst.«
Karin beobachtete ihn, während er sich umblickte. Sie sah oft, wie Leute reagierten, die sie nicht kannten, wenn sie erfuhren, dass sie auf einem Segelboot wohnte. »Eine Bekloppte, die durch das soziale Netz gefallen ist«, schiender erste Gedanke zu sein, auch wenn die meisten sich zumindest bemühten, ihn sich nicht anmerken zu lassen. Dann wurden diskrete Blicke auf ihre Kleidung geworfen, als wollte man kontrollieren, ob sie frische Wäsche trug und geduscht hatte oder ob sie fettige Haare hatte oder sonst wie von der Norm abwich.
Unten im Boot gab es zwei Fächer unter den Sitzbänken, die Karin als Stauraum verwendete. Links stand ein Navigationstisch, und darüber waren das UKW-Radio, das GPS und das Display des Radars befestigt. Alle Geräte waren so günstig platziert, dass man sie auch ablesen konnte, wenn man draußen im Cockpit oder im Gang stand. Seitdem das Boot als fester Wohnsitz diente, wurde der Navigationstisch auch als Schreibtisch benutzt. Die Seekarten lagen momentan unter dem aufklappbaren Tisch, der wie eine alte Schulbank konstruiert war.
Karin öffnete
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