Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Bürgermeister von Marstrand war, schadete auch nicht. Die Frau des Bürgermeisters, also die Mutter von Fredrik Bagge, wurde freigesprochen, während man Malin im Winkel hinrichtete und auf dem Scheiterhaufen verbrannte.«
»Das ist ja schrecklich«, sagte Karin.
»Mein Gott, ich kann gar nicht fassen, dass … ihr mir das nie erzählt habt. Was ist denn eigentlich mit den Kindern passiert?«, fragte Johan. »Durften sie in Marstrand bleiben?«
Karin betrachtete ihn heimlich von der Seite. Wie kam er ausgerechnet auf diese Frage, überlegte sie verwundert.
»Ich glaube, sie sind von hier weggezogen und zu Verwandten gebracht worden, aber ob sie getrennt wurden, weiß ich nicht. Die Verhörprotokolle der Hexenprozesse müssten sich in der Universitätsbibliothek in Göteborg befinden. Vielleicht steht darin auch, wie es mit den Kindern weiterging?«
»Liegen die Protokolle nicht alle im Reichsarchiv?« Georg kam mit dem Kaffeetablett herein. »Im Reichsarchiv in Stockholm? Wir planen eine Ausstellung über die Bohusläner Hexenprozesse mit Schwerpunkt auf den Ereignissen in Marstrand. Sie soll hier im Rathaus stattfinden, genauer gesagt im Kristallsaal. Ich wollte mal mit Sara sprechen. Was hältst du davon?«
»Sara von Langer?«, fragte Karin.
Johan nickte. »Ja, sie ist gut, aber sie hatte einen Burnout und muss es vorerst noch etwas langsamer angehen lassen.«
Karin probierte den Kaffee und die selbstgebackenen Vanilleschnecken, während sie das Schachbrett studierte.
»Darf ich?« Sie wischte sich die Hand an der Serviette ab.
»Klar«, sagte Georg. »Ich kann jede Hilfe gebrauchen.«
Karin versetzte den schwarzen Springer.
»Schach«, lächelte sie.
»Schach«, wiederholte Georg und grinste seine Frau an. Sie dagegen wirkte nicht sonderlich betrübt.
»Meine Güte, Georg, das war doch nur ein Zug.« Sie betrachtete ihre weißen Figuren und bewegte schließlich einen der Türme. Karin begriff, was sie vorhatte, und machte ihr geschickt einen Strich durch die Rechnung.
»… und matt«, sagte Karin drei Züge später.
»Schachmatt«, fügte Georg zufrieden hinzu, während seine Frau noch immer die weißen Figuren anstarrte und nach einem möglichen Ausweg suchte. Er stand auf, ging zum alten Sekretär und nahm ein weißes Blatt Papier aus einem Schreibheft.
»Ich habe Eskil Olàns Geschichtsbuch an den entsprechenden Stellen ergänzt.« Georg klopfte auf das Schreibheft und zeichnete eine Karte ab, die sich darin befand. »Jetzt müsstet ihr die Thorshämmer finden.« Er reichte Johan die Karte und sagte, dass sie beide, besonders jedoch Karin, jederzeit vorbeikommen könnten, wenn sie in der Nähe wären. Am liebsten am Samstagnachmittag, denn da spielten seine Frau und er immer Schach.
Karin zog sich die Jacke an und überlegte, ob ein Kopf in einem Garten etwas mit alter Zauberkunst und denBohusläner Hexenprozessen zu tun haben konnte. Vermutlich nicht.
»Bist du jetzt klüger?«, fragte Johan, als sie vor dem Haus standen. »Ständig erfährt man neue alte Geschichten. Also Geschichten, die neu für mich sind. So wie heute. Allerdings war diese Geschichte grauenvoll.«
»Allerdings.« Karin wurde bewusst, dass sie nun eine Erklärung für das hatte, was sie auf der CD-ROM über das Grundstück von Frau Wilson gelesen hatte. Das von Frau Wilson und Malin. Zwischen den Zeilen stand schließlich, dass sich dort schon früher ein Gebäude befunden hatte. Nun wusste sie auch, wem das frühere Haus gehört hatte und was passiert war.
»Der Opferhain.« Karin hielt Georgs eigenhändig angefertigte Skizze in der Hand.
Sie stiefelten wieder hinauf zum höhergelegenen Teil von Marstrand. Karin gefiel es, dass Johan dauernd neue Wege ging. Die Ostseite der Insel, die auf Koön blickte und dank des Bergrückens von Marstrand vor dem Westwind geschützt war, war dicht bebaut. Zwischen den Häusern verlief ein Gitternetz aus Kopfsteinpflastergassen.
Über den Dächern erhob sich die Kirche mit dem Grünspan auf dem Kupferdach. Johan zeigte auf den weißen Kirchturm.
»Es gibt vier Zifferblätter am Turm, in jede Himmelsrichtung eins, aber keine Uhr geht richtig.«
»Ich muss zugeben, dass ich nicht besonders oft in die Kirche gehe«, sagte Karin.
»Was? Ist das wahr? Ich gehöre hier draußen zu den Kirchenältesten«, erwiderte Johan.
»Im Ernst?«, fragte Karin.
»Rate mal.« Er zwinkerte ihr zu. »Wir müssen hier links hoch.« Johann zeigte an einem der wenigen Häuser vorbei, die mit
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