Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
liegen. Einen kleinen Text schreiben? Eine Führung? Bei Letzterem hatte sie ihre Zweifel, aber Material konnte sie auf jeden Fall für Lycke zusammenstellen. Da Tomas’ Vater sehr an Geschichte interessiert gewesen war, hatten sie nach seinem Tod eine Menge Bücher von ihm geerbt.
Sie trat ans Bücherregal und suchte alles heraus, was sie fand: von Waldemars alten Ledereinbänden über Reiseführer bis zu den Heftchen, die sich die Touristen um 1900 hatten kaufen können, als Marstrand ein Badeort gewesen war. Bald lagen mehrere Bücher aufgeschlagen da, und massenhaft Papier breitete sich aus. Die Frage war, über welche Epoche sie berichten sollte. Die steinzeitlichen Siedlungen. Sara machte sich Notizen. Die katholische Zeit, das Mittelalter. Die Heringsperioden. Oder sollte sie von den Gebäuden ausgehen? Sie holte sich eine Karte von Marstrandsön, Koön und Klöverön. Eine Wanderung rings um die Insel Marstrandsön oder nur durch die Stadt …?
Allmählich bildete sich eine Idee heraus, und gegen Mittag war sie bereits die Hälfte des Materials durchgegangen. Sie setzte Kartoffeln auf und stellte die Hackfleischbällchen vom Vortag in die Mikrowelle. Ganz hinten im Kühlschrank entdeckte sie ein Glas Wildpreiselbeeren. Die Katze kam herein und sah sie vorwurfsvoll an.
»Du hast doch etwas zu essen«, sagte Sara. »Es ist deine eigene Schuld, wenn es so trocken ist. Warum schleckst du auch die ganze Sauce ab?« Der Schwanz, der eben noch nach oben gezeigt hatte, sank hinunter, und die ganze Körpersprache signalisierte deutlich, in was für elenden Zuständen sie leben musste. Beleidigt wandte sie sich ab und tapste die Kellertreppe hinunter.
Nach dem Essen entwarf Sara einen Schlachtplan. Geschichte, Orte, Gebäude, Einzelschicksale und Marstrand heute. Sie betrachtete das Wort »Schicksale« und dachte an die Frau mit den beiden Kindern, die Georg im Rathauskeller gesehen hatte. Sara stand auf und ging zum Bücherregal, aber als sie davorstand, wusste sie nicht mehr, warum sie gekommen war. Die Konzentration ließ nach, ihre Gedanken entglitten ihr, ohne dass sie etwas dagegentun konnte. Sie strich sich über das Haar und ging langsam zurück in die Küche.
Sara setzte Kaffee auf und beobachtete die schwarzen Tropfen, die durch den Filter rannen, während es in der Maschine behaglich gurgelte. Draußen regnete es nun kräftig. Ein kalter grauer Herbstregen prasselte gegen die Verandafenster. Das Geräusch beruhigte sie. Sie ging hinüber zum Kamin, knüllte Zeitungspapier zusammen und legte ein paar dünne Äste darauf, die leicht Feuer fingen. Auf das Anmachholz stellte sie einen alten Kerzenstummel und noch ein paar trockene Holzpaneele von Lycke und Martins Umbau. Als das Feuer in Gang gekommen war, schloss sie die beiden Glastüren und ging sich einen Kaffee einschenken. Wieder kam ihr Georgs Geschichte von der Frau mit den beiden Kindern in den Sinn.
Sara kehrte zum Bücherregal zurück, fand das Gesuchte:
Untersuchungen zur Hexerei in Bohuslän zwischen 1669 und 1672
. Sie band sich ein Tuch um den Hals, legte sich eine Strickjacke um die Schultern und setzte sich wieder. »Brennholz, Birkenreisig und Teertonnen zu vier Reichstalern für den Scheiterhaufen, auf dem die Hexen brennen sollen.« Sie blätterte um und las weiter.
Das Ganze schien in Marstrand begonnen zu haben. Ein Mann namens Sören Muremeser und seine eifersüchtige Ehefrau beschuldigen Anna i Holta, die in ihrem Haus zu Gast ist, Sören impotent gemacht zu haben. Sörens Frau bezeichnet Anna als Hexe. Im Juni 1669 kommt Anna ins Gefängnis.
Nach einem Monat im Gefängnis nimmt Anna sich das Leben, indem sie sich erhängt, doch bis dahin hat sie unter schwerer Folter eine weitere Frau beschuldigt, Malin im Winkel aus Marstrand. Seitdem ihr Mann beim Heringsfang verunglückt ist, lebt Malin mit zwei Kindern allein in einer einfachen Hütte und kommt nach Ansicht ihrerNachbarin erstaunlich gut allein zurecht. So gut, dass sie einigen in ihrer Umgebung ein Dorn im Auge ist. Sie besitzt eine Kuh und ein paar Hühner. Dass Malin gut aussieht, macht die Sache nicht besser. Malin ist die Frau, die gerufen wird, wenn jemand krank geworden ist oder sich verletzt hat. Sie ist eine tüchtige und tatkräftige Frau, die bei Geburten hilft und hinter ihrem Häuschen einen kleinen Kräutergarten angelegt hat. Dort befindet sie sich, als die Wachen sie abführen. Sara blickte auf und warf einen Blick auf das Gewächshaus, in dem sich ihr
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