Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
eigener Kräutergarten befand. Dann wendete sie sich wieder dem Buch zu.
Im Amtsgericht sind die Ratsherren, die beiden Bürgermeister der Stadt und der Pfarrer versammelt. Ganz hinten im Saal sitzen der Henker und seine Knechte. Dann führen die Wächter Malin oder besser gesagt die Hexe herein, wie es in der Beschreibung lautete. Klein und zart, wie sie ist, sieht sie sich erst einmal um. Die Anwesenden fragen sich verwundert, ob eine so sanftmütige und schöne Frau wirklich über eine so große Kraft verfügen kann, wie in der Anklage behauptet wird. Ist sie wirklich eine Hexe?
Sara merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Plötzlich war es vier Uhr. Noch ganz benommen von dem, was sie gerade gelesen hatte, ging sie die Kinder vom Kindergarten abholen. Sie musste daran denken, dass auch sie Kräuter im Garten angepflanzt hatte. Darunter den Liebstöckel, den sie geschenkt bekommen hatte. Als Schutz vor Zauberei und bösen Geistern konnte man das Kraut entweder an jeder Ecke des Hauses oder in jeder Himmelsrichtung pflanzen. Liebstöckel roch nach Salmiak und schmeckte kräftig nach Petersilie. Sara hatte ihn vor allem aus Spaß an jeder Ecke des Hauses gepflanzt. Auch Lycke hatte sie davon abgegeben und geraten, es ihr nachzutun. WennSara es sich genau überlegte, hätte sie nach damaligem Ermessen vielleicht auch als Hexe gegolten. Geheimnisvolle Kräuter und Ratschläge für die Nachbarn.
»Hast du gemalt, Mama?«, fragte Linus, als er den überladenen Küchentisch sah.
Zwanzig Minuten später kam Tomas nach Hause.
»Du bist einfach nicht bei Trost.« Er zeigte auf den Eimer am Zaun und die Schubkarre vor dem Gewächshaus. »Man kann doch nicht tausend Dinge anfangen und nichts zu Ende bringen.« Als er den Tisch sah, griff er sich an den Kopf. »Was treibst du da bloß, Sara? So geht das nicht weiter. Jetzt räumen wir erst einmal auf.«
Sie lächelte.
»Das Essen wird heute auf dem Sofa serviert, am Kamin. Wir sind heute ein bisschen ungezogen.«
»Jaaa!«, riefen die Kinder, während Tomas ein finsteres Gesicht machte. Das war jedoch nicht so schlimm, dachte Sara, und umarmte ihn. Und dann erzählte sie ihm, was los war.
»Heute Morgen wollte ich dich anrufen und fragen, ob du glaubst, dass wir das alles schaffen. Ob wir die ganze Sache heil überstehen, und wenn ja, ob wir es zusammen oder jeder für sich tun werden. Aber nun habe ich einen Weg gefunden. Meinen Weg. Etwas, das mir Kraft gibt.« Sie zeigte auf ihre Notizen und die Bücherstapel auf den Küchenstühlen.
»Ich habe etwas richtig Sinnvolles gefunden, das mir wirklich Spaß macht. Willst du wissen, was es ist?«
Robban betrachtete die Liste mit den Charakteren der Rollenspieler. Die Namen leiteten seine Gedanken in die Welt der Mythen und Sagen.
Einige von ihnen kannte er, aber Skuld, wie die Frau am Opferstein geheißen hatte, war ihm noch nie begegnet.Warum sollte er nicht gleich mit ihr anfangen? Seltsamer Name, Schuld. Warum nannte man sich so? Vielleicht hatte der Name eine verdeckte Bedeutung, die er nicht sah? Robban beschloss, sich gründlich über die Charaktere der Rollenspieler zu informieren, bevor er sie noch einmal vernahm.
Skuld. Er gab die fünf Buchstaben ein und startete die Suche im Internet.
Es überraschte ihn nicht, dass er viele Ergebnisse erhielt. Ganz unten auf der Liste stand Skuld als mythologischer Begriff. Er fiel zwar unter die Kategorie Asenglaube, aber damit kam er der mittelalterlich gekleideten Frau und den anderen Rollenspielern vermutlich recht nahe. Er machte eine Pause, um sich einen Kaffee zu holen, und setzte sich wieder. Während er an dem heißen Kaffee nippte, las er den Text durch. »Skuld ist eine der drei Nornen in der nordischen Mythologie. Die Nornen spinnen die Schicksalsfäden, die das Leben jedes Menschen von Geburt an bis zum Tod lenken. Die Nornen sind eng verwandt oder sogar identisch mit den Disen. Sie herrschen über das Schicksal und werden daher auch als Schicksalsgöttinnen bezeichnet. Über jedes Geschlecht herrscht und wacht eine von ihnen. Die Herkunft der Nornen liegt im Dunkeln.«
»Aha, so ist das also«, sagte er zu sich selbst. »Skuld ist verantwortlich für die Zukunft, sie repräsentiert das, was kommen wird. Eine der drei Nornen.« Drei? Der Sache ging er besser sofort auf den Grund, dachte er sich, und startete noch eine Suche. Sofort stieß er auf die Namen und Bedeutungen der beiden anderen Schicksalsgöttinnen: Urd und Verdandi. Urd war laut der
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