Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Wasserfalltagen gemacht. Der Körper der Frau war zerstückelt und danach auf ein Wagenrad gelegt worden … Weißt du, was ein Richtrad ist?«
Karin erinnerte sich vage an eine Zeichnung in einem alten Geschichtsbuch, ließ es sich aber sicherheitshalber von Anders erklären.
»Stell dir ein Wagenrad mit Holzspeichen vor, so wie an alten Pferdeanhängern. Mit diesen Dingern schmücken die Leute doch heutzutage so gerne ihre Höfe und Landhäuser. Und nun stell es dir etwas größer vor. Wenn eine Person zum Tode verurteilt wurde, hatte man die Möglichkeit, die Strafe zu verschärfen. Das konnte Misshandlungen oder Verstümmelungen vor der Hinrichtung beinhalten, oder der Körper wurde nach dem Ableben entehrt. Nicht, dass der Tod an sich nicht schon schlimm genug gewesen wäre, man konnte den Verurteilten zusätzlich auch noch rädern. Das bedeutete in diesem Fall, dass man die Überreste der zerstückelten Leiche auf ein Richtrad legte, sobald man den Kopf abgehackt hatte. Nachdem sie dort oben nun eine Weile zur … wie heißt das noch mal? … Abschreckung der Allgemeinheit und zur großenFreude der Wildvögel gelegen hatten, holte man das Rad wieder herunter und begrub die hingerichtete Person hier an Ort und Stelle.« Anders zeigte auf den Boden. »Die Angehörigen durften keine Körperteile mitnehmen, um sie zu bestatten. Übrigens auch sonst niemand. Der Glaube, dass die Knochen und das Blut von Hingerichteten Zauberkräfte hatten, war ziemlich weit verbreitet. Daher passte man auf, dass niemand etwas mitnahm. Nur der Henker durfte sich die Kleidung nehmen, wenn er wollte.«
Karin war eine Weile sprachlos. Sie nickte nur.
»Ein solches Richtrad mit einer zerstückelten Leiche stand hier im Sommer. Genau … an dieser Stelle.« Anders streckte den Finger aus. Karin ging zu dem noch immer deutlich erkennbaren Loch, in dem der Pfahl gesteckt hatte, auf dem das Wagenrad befestigt gewesen war.
»Da sich die Vögel an der Leiche gütlich getan hatten, war nicht mehr viel davon übrig, als wir kamen. Deshalb ist es schwierig, den Zeitpunkt des Todes genau zu bestimmen. Die Techniker hatten hier einiges zu tun, bis sie alles untersucht hatten, und dem Rechtsmediziner ist es am Ende tatsächlich gelungen, nahezu die ganze Leiche zusammenzubasteln. Das Einzige, was uns fehlte, war der Kopf. Wir wussten nicht, ob ihn ein Tier weggeschleppt hatte oder wo er sonst abgeblieben war. Ich bin extrem gespannt, was eure Rechtsmedizinerin über den Kopf herausfindet, den ihr auf Marstrandsön gefunden habt. In Anbetracht der Tatsache, dass er nicht zu eurer Leiche gehört, meine ich.«
Karin nickte und dachte wieder an das Gespräch mit Margareta Rylander-Lilja, in dem diese ihr erklärt hatte, was man benötigte, um den Kopf von einer Leiche abzutrennen. Einerseits eine ungeheure mentale Stärke, doch das Aussehen der Schnittflächen verriet auch etwas über das Werkzeug, das verwendet worden war.
»Lässt sich etwas über die Art der Zerstückelung sagen? Ich meine, konnte man vielleicht erkennen, ob der Täter über anatomische Kenntnisse verfügt?«
»Ich weiß nicht, ob unser Täter etwas von Anatomie versteht, aber als ich mich ein wenig mit dem Thema beschäftigt habe, ist mir etwas anderes aufgefallen. Früher zerstückelte man die Leiche in umso mehr Teile, je härter die Strafe war. Das würde auf unseren Fall zutreffen.«
»Ein Hinrichtungsplatz in Trollhättan und ein Opferhain mit Opferstein in Marstrand«, sagte Karin nachdenklich.
»Nicht nur ein Hinrichtungsplatz. Es gibt hier auch eine Wallburg, in Hälltorp.«
»Die Burganlage von Hälltorp? Tatsächlich? Unsere kopflose Leiche wurde nämlich vor einem Stein kniend gefunden, der für einen sehr alten Opferstein gehalten wird. Der Stein ist von Felsen umgeben, in die Thorshämmer geschlagen sind. Außerdem scheint der Täter zurückgekehrt zu sein, um diese Thorshämmer mit Blut auszumalen. Hinzu kommt, dass es sich um einen steinzeitlichen Siedlungsplatz handeln soll, und zwar den ältesten von Marstrand. Das kann doch kein Zufall sein. Oder was meinst du?«
Anders machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Der Täter ist zurückgekehrt?«, fragte er schließlich.
»Wir nehmen es an. Falls die Techniker das Blut nicht bei ihrer ersten Untersuchung übersehen haben, aber davon gehe ich nicht aus. Wahrscheinlich ist der Mörder noch einmal zurückgekommen.«
»Eiskalt«, sagte Anders.
Karin fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihm zu erzählen, dass
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