Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
antwortete Lycke wahrheitsgemäß. Sie war positiv überrascht gewesen, als sie von den für Samstag geplanten Aktivitäten erfuhr. »Eine gute Balance zwischen Individuum und Unternehmen.«
Es war Viertel vor elf, und der Rest der Gruppe wollte in der Villa Maritime übernachten. Der Schlagbaum senkte sich, und die Fähre klappte die Rampe ein. Tagsüber war das Wetter schön gewesen, doch nun wurde die Luft so stickig, als wäre ein Gewitter im Anmarsch.
»In welchem Haus wohnt ihr? Kann man es von hier sehen?«, fragte Asko, als die Fähre abgelegt hatte.
»Da oben im Fyrmästargången.« Lycke zeigte auf die Häuser in der Blekebukten, die der große graue Nordberget vor dem Westwind schützte.
»Das liegt aber schön. Ihr seht von dort aus den Hafen, oder?«
»Richtig. Als wir es kauften, war es ein kleines, mit Eternitplatten verkleidetes Haus. Wir sind seit sechs Jahren dabei, es zu renovieren. Du weißt ja, es ist hier nicht wie im schicken Rosenlund, wo man sich einfach einen Handwerker holt.«
»Ich habe das Haus von meinen Eltern geerbt«, sagte er ein wenig düster, doch als er weitersprach, klang seine Stimme fröhlicher: »Außerdem mache ich viele Tischlerarbeiten selbst. Ich habe zum Beispiel das Bootshaus und den Steg gebaut.«
»Das Bootshaus, ach wirklich.« Lycke lachte. »Hast du nicht vor, dauerhaft hier rauszuziehen?«
»Doch, ständig«, sagte Asko. »Wir sprechen davon, seit die Kinder klein waren.« Er schwieg eine Weile. »Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als Marianne und ich jünger waren und versuchten, alles unter einen Hut zu bringen. Geld und Zeit. Zeit für die Kinder, Zeit für die Arbeit und nicht zuletzt für uns. Man befindet sich ja inso vieler Hinsicht in einer Aufbauphase. Es wäre besser gewesen, man hätte eine Sache nach der anderen angehen können, aber so funktioniert das leider nicht.«
Die Fähre legte an, und die wenigen abendlichen Mitreisenden gingen auf Koön an Land. Der Bus nach Göteborg wartete bereits. Drei junge Leute um die zwanzig hatten bereits das Wochenende eingeläutet und kamen schwankend auf sie zu.
»Soll ich dich mitnehmen?« Asko zeigte auf ein Auto auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt.
»Danke, ich gehe lieber zu Fuß. Wir sehen uns morgen.« Winkend bog Lycke nach links in die Korsgatan ab und sah Asko zu seinem Wagen gehen.
Als Asko Ekstedt bei der verlassenen Bushaltestelle am Gunnardalsvägen nach links abbog, streiften die bläulichen Scheinwerfer seines Volvo XC90 das Schild mit der Aufschrift: »Auf Wiedersehen«. Er konnte sich nicht erinnern, dass hier jemals jemand auf den Bus gewartet hätte. Das Haus im Rosenlund lag auf der nordöstlichen Seite von Koön, weiter konnte man sich vom Fähranleger nicht entfernen. Nicht, dass der Weg besonders weit gewesen wäre – in raschem Tempo ein Spaziergang von höchstens fünfundzwanzig Minuten. Er beschloss, am nächsten Morgen zu Fuß zur Fähre zu gehen. Da sie sich um neun vor dem Hotel Maritime treffen würden, konnte er vor dem Spaziergang zur Fähre sogar noch ins Wasser springen. Als es steil hinaufging, schaltete das Automatikgetriebe in einen niedrigeren Gang, und Asko beugte sich nach vorn, als wollte er mithelfen.
Das Essen in der Villa Maritime war in guter Stimmung verlaufen, sie hatten viel gelacht.
Noch hatte er Asphalt unter den Reifen, doch nach wenigen Metern war damit Schluss. In den Sommerhäusernauf der linken Seite brannte kein Licht, und an einigen waren sogar schon die Fensterläden für den Winter angebracht. Auf der rechten Seite tauchte der schmale Weg auf, der zwischen den moosbewachsenen Felsblöcken hindurchführte. Der Anblick rief in ihm immer die Erinnerung an die Trollbilder des Malers John Bauer hervor und ließ ihn an die Märchen denken, die er früher den Kindern vorgelesen hatte. An diese Abende damals, die ihm so viel bedeutet hatten.
Das schmiedeeiserne Tor stand offen. Er fuhr hindurch und weiter zu dem Haus im Rosenlund. Die Federung wurde auf dem holprigen Weg stärker beansprucht. Das Gras, das sich von allein zwischen Reifenspuren ausgebreitet hatte, musste sich dem Unterboden des Wagens beugen. Er drückte auf den Knopf, um die Fensterscheibe auf der Fahrerseite zu versenken, und atmete lächelnd die salzige Luft ein, die ihm entgegenschlug. Es duftete süßlich nach blühendem Heidekraut. Er nahm einen tiefen Atemzug und fuhr die letzten Meter bis zum Haus. Dann schaltete er mit der Fernbedienung die Außenbeleuchtung ein.
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