Die Tote im Badehaus
Ausländerin sind, ist Japanisch vielleicht ein bißchen schwierig für Sie.«
»Kiki ist der Spitzname einer Hostess, die ihre wahre Identität verbergen will. Und das Blut, das durch meine Adern fließt, ist japanisch und amerikanisch, wie bei Ihrer Schwester.«
»Setsuko war nicht meine Schwester.« Sie warf einen schnellen Blick zur Tür. Wen erwartete sie wohl?
»Ich habe nicht gesagt, daß ich Setsuko meine, aber danke, daß Sie es mir bestätigt haben.« Ich öffnete den Reißverschluß meines Rucksacks, nahm das Fotoalbum heraus und blätterte zu dem Bild der beiden Teenager in den Armen der Geschäftsmänner.
»Das war damals in Yokosuka, nicht wahr? In dem Nachtclub, der jetzt eine Bank ist.«
Als Keiko das Foto betrachtete, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ich reichte ihr das Album, damit sie es selbst durchblättern konnte.
»Ich möchte wissen, weshalb die Tochter mit dem reinen Blut am Ende in einer Bar landet, während die konketsujin den Geschäftsmann und ein Haus in der Vorstadt bekommen hat.« Meine Angst verschwand langsam.
»Was ich tue, ist völlig in Ordnung. Ich zahle meine Miete und die Steuern, und ich habe zwölf Angestellte – wie viele Frauen in diesem Land können das noch von sich behaupten?« Keiko schob mir das Album wieder zurück.
»Aber Sie können mir nicht erzählen, daß die Bar der richtige Platz für Mariko ist. Wo wird sie in zehn Jahren sein? Sie hat keine Sicherheiten und muß sich vollkommen auf Männer verlassen.«
»Immerhin regieren die Männer die Welt.« Keiko starrte ihr schlaffes Gesicht im Spiegel an.
»Erzählen Sie mir von Marikos Vater.« Ich versuchte mein Glück.
»Es war ein amerikanischer Soldat, der hier auf Urlaub war.« Sie sprach monoton. »Als er wieder nach Vietnam ging, ist er dort auf eine Miene getreten. Setsuko hat kurz vor Mankos Geburt davon erfahren.«
»Wirklich?« Wenn das stimmte, war Mariko amerikanischer als ich – ganze drei Viertel.
»Sehen Sie.« Keiko nahm das Album noch einmal zur Hand und zeigte mir ein Gruppenbild, das ich vorher mit wenig Interesse betrachtet hatte. Eine junge Setsuko saß auf dem Schoß eines gutaussehenden, hellhäutigen Schwarzen, der um die Zwanzig zu sein schien und mit seinem Bürstenhaarschnitt und den Hundemarken um den Hals eindeutig zum Militär gehörte. Ihr kurzes, ausgestelltes Kleid deutete darauf hin, daß das Bild Anfang der siebziger Jahre aufgenommen worden war. Ich hatte dasselbe Gefühl wie beim Anblick des Fotos mit den japanischen Geschäftsmännern – sie war zu jung dafür. Ihr offener, aufgeregter Gesichtsausdruck erinnerte mich an die kichernden Schulmädchen in Uniform, die ich immer in der U-Bahn sah.
»Setsuko war so dumm, schwanger zu werden, gerade als sie in die Branche eingestiegen ist. Und noch dümmer war, das Baby tatsächlich zu bekommen. Es war klar, daß sie es niemals unterbringen würde.«
»Weil Mariko zur Hälfte schwarz ist?«
»Ja. Es sind Mädchen wie sie, die die Stripbars und Massagesalons füllen – man betrachtet sie als Exoten. Ein großes Unternehmen würde sie niemals einstellen. Es war ein Wunder, daß Setsuko die Stelle in der Bank für sie gefunden hat«, sagte Keiko.
»In den Vereinigten Staaten hätte Mariko es vielleicht leichter. Immerhin hat ihr amerikanischer Großvater Geld …«
»Vergessen Sie den Amerikaner«, sagte sie knapp.
»Sie kannten ihn? Wie war er?«
»Ich erinnere mich an einen Mann, der mir Schokolade geschenkt hat. Er war ein paar Jahre da, dann ist er verschwunden. Er hat eine standesgemäße Frau geheiratet, hat mir meine Mutter gesagt.« Keiko ging zum Kleiderständer und fummelte an einem Cocktailkleid herum.
»Sie erinnern sich doch sicher an seinen Namen«, flötete ich.
»Hören Sie zu, ich habe Sie nach hinten gebracht, um Sie zu warnen. Es reicht! Heute abend haben zwei Kunden gebeten, Sie an ihren Tisch zu schicken! Ich mußte sagen, daß Sie keines von meinen Mädchen sind.«
»Wenn sie mir den Namen von Setsukos Vater nennen, komme ich nie mehr wieder.«
Sie kannte den Namen. Es war völlig klar, so wie sie die Luft anhielt, bevor sie ausatmete und ihr alkoholgeschwängerter Atem mein Gesicht traf. »Es reicht! Sie und Ihre Freunde trinken jetzt Ihren Whisky aus und gehen.«
»Ich will erst sicher sein, daß Mariko nicht in Gefahr ist. Haben Ihre yakuza- Freunde …«
»Sagen Sie dieses Wort nicht. Die Wände haben Ohren!«
»Okay, haben sie herausgefunden, wer sie angriffen hat?« Sie gab mir
Weitere Kostenlose Bücher