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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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keine Antwort, deshalb fragte ich: »Warum glauben Sie, daß sie hier sicher ist?«
    »Ich glaube nicht, daß es jemand speziell auf Mariko abgesehen hatte. Esmerelda ist auch überfallen worden, aber sie hat einen kühlen Kopf bewahrt und ist nicht zu Ausländern gerannt, um Schutz zu suchen«, schimpfte Keiko. »Ich habe eine Frage an Sie – weshalb kümmert Sie das eigentlich? Sie haben Ihr eigenes Leben.«
    »Ich mag Mariko«, sagte ich. Das stimmte, obwohl mir wirklich nicht klar war, was sie vorhatte. Ich mochte ihren direkten Stil und war der Meinung, sie hatte ein besseres Leben verdient. Vielleicht konnte man sie dazu bringen, ihren Job bei der Bank ernster zu nehmen, vielleicht konnte sie sogar eine bessere Laufbahn einschlagen.
    »Das ist amerikanischer Blödsinn. Die Leute aus Ihrem Land sagen nach einer Nacht, daß sie verliebt sind. Das kenne ich schon.«
    »Ich mag sie wirklich! Wir sind nicht seelenverwandt, aber wir verstehen uns. Ich weiß auch, daß sie meinen Mitbewohner Richard sehr sympathisch findet.«
    »Verliebt, pah«, schnauzte Keiko. »Diese Geschichten sind älter als der Krieg, aber es gibt sie immer noch: das japanische Mädchen fällt auf den ausländischen Mann herein. Er denkt, sie ist eine Geisha, die ihm jeden Wunsch erfüllt, und sie denkt, er ist stärker als ihr eigenes Volk. Wie Sie auch. Es ist wie in dieser Oper, wie heißt sie noch mal?«
    »Madame Butterfly. Was meinen Sie?«
    »Weshalb sind Sie mit Big Red zusammen, statt mit einem Japaner?«
    Hugh und ich waren nicht zusammen, und die traurige Wahrheit war, daß die meisten Japaner an einem Mischling wie mir nicht interessiert waren.
    »Sie wollen den Ausländer, und ganz Asien will ihn. Meine Mädchen aus Thailand, Singapur und von den Philippinen sind alle gleich. Es ist immer noch wie vor hundert Jahren.«
    Und damit warf Keiko mich hinaus.
     
    Hugh und Esmerelda spielten gerade Händeklatschen, als ich zur Sitzbank gegenüber humpelte.
    »Wie war das Spiel?« Ich nippte an meinem Whisky und setzte das Glas ab. Die schottische Version war mir lieber.
    »Ich habe Esmerelda Rommé beigebracht, und sie hat gleich beim ersten Mal gewonnen.« Hugh sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
    »Kann ich mir vorstellen. Wo ist Richard?«
    »Er wollte mit Mariko reden. Hast du ihn nicht hinten gesehen?«
    Ich fixierte Esmerelda und sagte: »Ich war in der Garderobe. Ich habe mich lange mit deiner Mamasan unterhalten. Sie hat mir erzählt, daß du vor kurzem überfallen worden bist.«
    »Was ist passiert, Esmerelda? Erzähle«, bat Hugh.
    Esmereldas Gesicht glühte. »Ach, das ist keine schöne Geschichte! Die ist nichts für dich …«
    »Im Gegenteil.« Hugh legte den Arm um sie. »Ich möchte alles über dich wissen.«
    »Ich wollte Zigaretten kaufen gehen.« Sie hielt inne. »Ich weiß, du rauchst nicht, aber ich tue es. Eine Hostess hat viel Streß in ihrem Leben.«
    »Erzählt mir was von Streß!« Richard gesellte sich wieder zu uns, und ich rückte zur Seite, um ihm Platz zu machen.
    »Sag schon, Kleines. An welchem Tag war das?« Hugh spielte an einem von Esmereldas Spaghettiträgern herum.
    »Es war an dem Mittwoch vor Silvester. Nachts war es sehr kalt. Ich bin das nicht gewohnt, weil ich aus Manila komme.« Esmerelda zitterte, so daß ich mich fragte, weshalb sie keinen Pullover über ihr knappes Seidenkleid zog. »Ich hatte nur einen Schritt vor die Tür getan, als mich jemand von hinten gepackt hat. Ein Kissenbezug wurde mir über den Kopf gezogen, und zwei Hände legten sich um meinen Hals. Und eine Stimme. Englisch.«
    »Ein britischer Akzent?« fragte ich, denn mir fiel wieder ein, daß Hugh vor Neujahr in Tokio gewesen war.
    »Das weiß ich nicht. Sie hat es merkwürdig gesagt. Maryko. Ich sage auf englisch: No, No! Ich bin Esmerelda! Ich habe meine Tasche mit der Aufenthaltserlaubnis auf dem Boden ausgeleert. Dann hat sie mich getreten, so daß ich hingefallen bin. Als ich dalag, habe ich gehört, wie sie sie aufgehoben hat. Sie hat mich noch einmal getreten. Danach sollte ich bis hundert zählen, sonst würde sie mich umbringen. Dann ist sie gegangen.«
    »Und du glaubst, daß es eine Frau war?« Japaner, die englisch sprachen, verwechselten manchmal »er« und »sie« ; ich wußte nicht, ob das bei Leuten von den Philippinen auch der Fall war.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Es waren rauhe Hände, rauh wie bei einem Mann, aber die Stimme war eher von einer Frau. Ich bin nicht ganz sicher. Ich sage das

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