Die Tote im Badehaus
Arbeit. Gangster sind hinter Ihnen her. Ihr Freund muß lebenslänglich ins Gefängnis.«
»Nein!«
»Nicht ins Gefängnis? Nun ja, Sie können ihn wahrscheinlich retten, wenn sich herausstellt, daß Sie die ganzen Morde begangen haben.«
»Niemand weiß über Sie Bescheid.« Ich überlegte blitzschnell. »Warum verlassen Sie nicht einfach das Land, solange es noch geht? Niemand verdächtigt Sie.«
»Sie sind eine Lügnerin, Rei Shimura.« Sie sprach meinen Namen mit einem übertriebenen Akzent aus, der in ihren Ohren wohl japanisch klang. »Das ist Ihre japanische Hälfte.«
»Wieso tun Sie das alles? Sie sind doch ein warmherziger Mensch. Sie haben mir von Anfang an geholfen.« Es war riskant, weiterzusprechen. Wenn ich sie reizte, würde sie mich womöglich knebeln wie Mariko. Ohne Mund wäre ich weniger menschlich, einer Leiche ähnlicher. Leichter zu töten.
Statt mir eine Antwort zu geben, ging Mrs. Chapman zum Anrufbeantworter und drückte auf den Startknopf. Als ich mich aufrichten wollte, trat sie mir mit ihrem Reebok ans Kinn. Ich unterdrückte mein Stöhnen, um die Aufnahme zu hören.
»Rei, hier spricht Rod Evans. Ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß die Handschrift nicht im mindesten der meines Vaters ähnelt. Sie haben mir eine Heidenangst gemacht.« Er hielt inne. »Ich habe aber vielleicht trotzdem eine Spur für Sie. Der Poststempel auf dem Umschlag hat mich an Bob Smith erinnert, der mit meinem Dad in Japan gedient hat. Mr. Smith hat eine Freundin und eine Tochter dort zurückgelassen und immer Gewissensbisse deswegen gehabt. Er hat versucht, für sie zu sorgen, und ihnen immer wieder Geld geschickt. Das hat mir mein Vater erzählt, als eine Art Warnung, bevor ich nach Vietnam ging, aber das ist eine andere Geschichte. Smith war ein Texas Ranger, eine ziemlich große Nummer. Er konnte nicht das japanische Mädchen anerkennen und gleichzeitig so weitermachen wie bisher. Die Frau, die er geheiratet hatte, muß ein richtig niederträchtiges Weibsstück sein. Er hat immer gesagt …« Der Anrufbeantworter piepste, und der Rest der Nachricht wurde abgeschnitten.
Mrs. Chapman löschte die Aufnahme mit ihrem schwarz behandschuhten Finger.
»In Ihrem Pass steht Smith, nicht Chapman.« Ich erinnerte mich, wie ich auf ihr Drängen hin Captain Okuhara diese offensichtliche Ungereimtheit plausibel gemacht hatte. Ich hatte sie gerettet, als sie in Gefahr war, erwischt zu werden.
Ich sah sie an und wartete ab. Irgendwann würde ich mich bewegen können. Mein rechtes Bein tat zwar weh, aber ich war mir ziemlich sicher, daß es einsatzfähig war, wenn ich es brauchte.
»Verdammt noch mal, ich wollte mit dieser Nakamura-Frau reden, ich wollte die Sache vernünftig regeln!« explodierte Mrs. Chapman. »Ich hatte sogar mein Scheckbuch dabei.«
»Was wollten Sie denn von ihr?« fragte ich.
»Sie sollte aufhören. Sie sollte aus unserem Leben verschwinden, jetzt, wo Bobby tot ist.« Schmerz spiegelte sich in ihrem Gesicht. »Die beiden mit ihren Postfächern in anderen Städten, anderen Staaten – man hätte meinen können, sie hatten eine Affäre. Erst als der Krebs ihn von uns genommen hat, bin ich darauf gekommen, was mit Binnies Geld passiert ist.«
»Mit wessen Geld?«
»Dem Geld meiner Enkeltochter. Jeden Dollar, den Bob für Setsuko ausgegeben hat, hat er von ihrem Erbe gestohlen.«
»Das muß Sie ziemlich geärgert haben.« Ich versuchte sie zu beruhigen.
»Setsuko hat über einen Detektiv oder einen Anwalt herausgefunden, daß er tot ist. Sie wollte Anspruch auf das Erbe anmelden. Ich habe ihr geschrieben, daß wir uns über alles unterhalten müßten, nur wir beide. Sie hat mich angerufen und gesagt, es ginge erst nach den Feiertagen. Als könnte sie das bestimmen. Ich habe sie nach ihren Plänen gefragt, und sie hat mir verraten, wohin sie führen. Es war leicht, sie zu finden. Ich mußte nur fünf Hotels anrufen.« Mrs. Chapman lächelte gezwungen.
»Warum haben Sie sich nicht einfach in Tokio mit ihr getroffen?« fragte ich.
»Ich wollte sehen, mit was für einer Person ich es zu tun hatte, und das habe ich ja dann auch deutlich mitbekommen. Beim Abendessen hat sie in dieser Idiotensprache mit der Wirtin über mich geflüstert.«
»Sie mochten einfach keine Ausländer! Ich hätte Ihnen sagen können, daß das nichts Persönliches war.« Im Rückblick schienen meine eigenen Bedenken darüber, wie man mich dort behandelt hatte, völlig belanglos.
»Ja, ja, Fräulein
Weitere Kostenlose Bücher