Die Tote im Badehaus
nicht bei mir.« Selbst wenn das japanische Postamt Karten akzeptieren würde, auf meiner würde Rei Shimura stehen.
Die Angestellte sah mich überraschend mitfühlend an. »Wenn Sie wollen, könnten wir die Summe ab jetzt automatisch von Ihrem Sparkonto abbuchen. Dann kann Ihnen so etwas nicht wieder passieren.«
»Von meinem Sparkonto?« fragte ich. Mir war leicht schwindelig. »Eine großartige Idee!«
»Ich kann den Antrag gleich für Sie fertigmachen …«
Sie füllte ein Formular aus, das voller kanji war, und schob es mir hin. Als ich einen Stift herausholte, sagte sie: »Sie müssen Ihren hanko benutzen.«
Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich Setsuko Nakamuras Namenssiegel in ihrem Haus gesucht. Aber so mußte ich bluffen und meinen eigenen Stempel benutzen. Wenn ich den Abdruck etwas verwischte, würde es vielleicht niemand bemerken.
Ich holte mein Siegel heraus und drückte es in das Stempelkissen auf der Theke. Dann stempelte ich auf die Stelle, auf die sie gedeutet hatte, und zwar mit mehr Druck als nötig. Es sah aus wie ein Rorschachtest, und man konnte kaum erkennen, daß die Zeichen etwas bedeuteten. Zu meiner Erleichterung legte die Angestellte das Blatt einfach ab und gab mir eine Quittung. Ich starrte auf das Blatt Papier und las Setsukos Kontostand: 3,2 Millionen Yen. Das Geld stammte sicher von den zurückgegebenen Kleidern, und es war vor dem Zugriff ihres Mannes geschützt.
»Wir geben das Postfach frei, so daß Sie am Montag wieder darüber verfügen können. Bis dahin gebe ich Ihnen einen Abholschein für Ihre Post. Gehen Sie damit zu Schalter fünf.«
Ich gehorchte. Es war bereits fünf Minuten vor zwölf, und fast alle waren schon gegangen. Zwei Kunden standen noch in der Reihe vor mir, als über die Lautsprecher »Auld Lang Syne« erklang. Der Angestellte stellte ein GESCHLOSSEN-Schild auf die Theke, und die wenigen verbliebenen Kunden zerstreuten sich. Ich ging direkt an den Schalter.
»Es tut mir leid, vielleicht hat okyaku-sama nicht gehört, daß wir geschlossen haben.« Obwohl mich der Angestellte mit »verehrte Kundin« ansprach, war sein Ton ziemlich steif.
»Ich kann erst gehen, wenn ich meine Post habe.« Ich legte den Abholschein vor ihn hin.
»Diese Sektion ist bereits geschlossen«, wiederholte er.
Ich bewegte mich nicht, bis er schließlich achselzuckend mit meinem Schein verschwand. Er kam mit einem dünnen Packen Briefe wieder. »Kommen Sie das nächste Mal bitte etwas früher.«
Ich dankte ihm überschwenglich, warf meine Plastikmähne zurück und verließ schleunigst das Postamt, während ich die Umschläge betrachtete. Zwei waren japanisch, einer war englisch adressiert. Er stammte von einer Anwaltskanzlei in Miami namens Mulroney, Simms and Schweiger.
Ich wollte möglichst schnell den englischen Brief lesen. Ich rannte gerade noch bei Grün über die Straße und setzte mich in einem Imbiß an die Theke. Zwischen lauter Teenagern, die duftende Hamburger aßen, schlitzte ich den Umschlag auf und zog ein Blatt Papier mit dem Datum vom 20. Dezember heraus.
Sehr geehrte Ms. Ozawa,
mit diesem Brief möchten wir Sie über die neuesten Entwicklungen in Sachen Nachlaßklage gegen die Erben von Mr. R. P. S. informieren.
Unser Büro hat gemäß Ihrer Anfrage vom 3. November vorab einige Informationen eingeholt. Es ging um die Grundlagen und Erfolgsaussichten einer Anklageerhebung. Auch wenn die Möglichkeit besteht, daß Sie einen Prozeß gewinnen könnten, so glauben wir nicht, daß die Beweise ausreichen, um Ihre Behauptungen zu stützen.
Die Briefe, die Sie uns geschickt haben, waren alle mit »Vater« unterzeichnet. Ohne eine förmliche Unterschrift oder andere Identitätsnachweise würde die Klage aus Mangel an Beweisen abgewiesen werden; damit wäre auch jeder weitere Prozeß gegen die Erben aussichtslos. Man könnte eine Handschriftenanalyse durchführen lassen; doch in diesem Fall würde es starke Einwände und Gegenbeweise von selten der Verteidigung geben. Da Sie zudem in dem Testament nicht erwähnt werden, werden die Erben natürlich argumentieren, daß der Verstorbene nicht die Absicht hatte, Sie in seinem Testament zu bedenken.
Was darüber hinaus Ihren Kontakt zur Frau des Verstorbenen betrifft, so rate ich Ihnen dringend, keine weiteren Anstrengungen zu unternehmen. Mein Privatdetektiv hat herausgefunden, daß sie entgegen Ihrer Annahme keine gebrechliche Witwe ist, die Ihren Ansichten passiv gegenübersteht. Wir hatten eher den
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