Die Tote im Badehaus
einmal in den Spiegel zu blicken.
»Er haßt mich.« Stockend erzählte ich ihm die Einzelheiten unserer Begegnung vor der Toilette, als Nakamura mich quasi beschuldigt hatte, seine Frau ermordet zu haben.
»Ich finde Ihre Reaktion etwas übertrieben. Was ist denn mit Ihren Freunden, Mr. und Mrs. Detektiv? Der Mann ist Ingenieur, also recht geschickt mit mechanischen Dingen. Wenn er Ihr Souvenirkästchen öffnen konnte, dann hätte er sicher auch an Ihrer Heizung herumpfuschen und die richtige Sicherung finden können.«
»Taro Ikeda ist mein Freund«, protestierte ich und dachte beklommen an seine und Yukis unerklärte Abwesenheit während des Nachmittags.
»Er ist besessen von Mord und Chaos! Mrs. Chapman hat mir erzählt, wie begeistert er in der Folterkammer war. Manchmal ist der Grat zwischen Phantasie und Wirklichkeit sehr schmal.«
»Was haben Sie denn für eine Entschuldigung? Sie sind nach dem Essen verschwunden.«
»Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, habe ich oben gearbeitet. Fragen Sie Yamamoto, der kann das bestätigen.« Hugh hielt inne. »Sie glauben doch wohl nicht, ich hätte die Heizung manipuliert, um Sie in mein Schlafzimmer zu kriegen?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.« Verärgert über seine zutreffende Vermutung, blieb mir nichts anderes, als zu gehen.
Auch nach der langen heißen Dusche hatte ich noch Kopfschmerzen, und der Gasgeruch hing weiterhin in meinem Gedächtnis. Ich schloß das Fenster und suchte nach einem Aspirin. In meinem Rucksack war ein emailliertes Lackdöschen aufgesprungen, und die Visitenkarten und Rechnungen in einer anderen Tasche waren zerknittert. Meine angeborene Tendenz zum Chaos schien sich zu steigern.
So unordentlich war ich aber nun auch wieder nicht, dachte ich mir, als ich meinen Matchbeutel vom Boden aufhob. Als ich den Reißverschluß aufzog, wurden meine Befürchtungen bestätigt. Jemand hatte alles durchwühlt und sogar mein kanji- Lexikon durchgeblättert. Erleichtert stellte ich fest, daß mein Paß und mein Geld noch da waren. Doch dann fragte ich mich, worauf es der Eindringling abgesehen hatte. Wann war er oder sie im Zimmer gewesen? Nach dem Unfall.
Ich machte mir nicht die Mühe, mir ein Glas Wasser einzuschenken, schluckte das Aspirin und ging nach unten.
»Gut geschlafen? Sie kommen spät heute«, bemerkte Mrs. Chapman, als ich müde zum Tisch schlurfte.
»Leider nein. Es gab ein Problem mit meiner Gasheizung, und ich habe die Dämpfe eingeatmet. Wahrscheinlich ist etwas defekt. Ich will versuchen, ein anderes Zimmer zu bekommen«, sagte ich und beobachtete die Gesichter der anderen dabei.
»Gasheizungen sind extrem sicher – im Fall eines Erdbebens schalten sie sich sogar automatisch aus. Sie müssen etwas falsch gemacht haben, Rei-san«, sagte Taro streng.
»Wollen Sie wirklich noch länger hierbleiben? Für das, was wir hier bezahlen, sollten wir eigentlich eine Zentralheizung erwarten können!« Mrs. Chapman war entrüstet.
»Das erwarte ich gar nicht.« Ich spürte Yukis und Taros Mißbilligung. »Ich erwarte nicht, daß hier ein kleines Amerika ist.«
»Also, ich habe mich wirklich bemüht, ohne Heizung und mit diesem Kaninchenfutter.« Mrs. Chapman warf einen Blick in ihre Schale mit Misosuppe und setzte den Deckel wieder darauf. »Ich fahre nach Singapur, wo es richtiges Essen gibt, wenn ich heute noch einen Flug bekomme.«
»Heute? Sie müssen bei einem Reisebüro anfragen, denn es ist Hochsaison! Was wollen Sie denn in Osaka machen, wenn es keinen Anschlußflug gibt?« Ich malte mir aus, wie sie mit einem Haufen Gepäck völlig hilflos dastand.
Doch sie lehnte alle logischen Argumente ab und brachte Taro schließlich dazu, ein Reisebüro anzurufen. Es gab keinen Platz mehr, wie ich vorausgesehen hatte. Da sie so mißmutig war, half Taro ihr, einen Tagesausflug in die Alpen mit einem englischsprachigen Führer zu buchen. Ich bot ihr an, sie zum Alpenhof zu bringen, wo ihr Bus losfuhr.
Als ich eine halbe Stunde später am Eingang des minshuku in meine Stiefel schlüpfte, kam Mrs. Yogetsu auf mich zumarschiert.
»Sie haben gestern nacht viel Lärm gemacht und das sh ō ji- Papiervor Ihrem Fenster zerrissen.« Ihre Stimme war so eiskalt wie der Wind, der durch das Fenster geblasen hatte.
»Das war nur, weil die Heizung in meinem Zimmer kaputtgegangen ist. Ich hätte an einer Gasvergiftung sterben können!«
»Wenn Sie nicht wissen, wie man mit einem Gasofen umgeht, dann bitten Sie um Hilfe.«
Es war ganz
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