Die Tote im Badehaus
die Tür und ging hinein. Ich besah mir das symmetrische Trio von Waschbecken und den Stapel leerer Bambuskörbe, wo die Badenden ihre Kleider lassen sollten. Ich zog die Hausschuhe aus und ging barfuß in den Baderaum. Aus einer Dusche tröpfelte es monoton, und das Wasser rann die Wand hinunter. Ich ging über den nassen Holzboden, um die Tür zuzuziehen, und wandte dann meine Aufmerksamkeit dem rechteckigen Bad zu. Wie ich in Erinnerung gehabt hatte, gab es ein niedriges, breites Fenster an der Seite. Ich beugte mich über den Beckenrand und schob das Fenster auf. Es gab keine Papiertrennwand, sondern es ging direkt einen guten Meter hinunter zu der mit einem Seil abgegrenzten, niedergetretenen Stelle, wo Setsuko gelegen hatte.
Das Bad war mit schweren Platten abgedeckt, so wie ich es beim ersten Mal gesehen hatte. Ich hob die Deckel ab, um einen Blick in das tiefe Kupferbecken zu werfen. Einen halben Meter unter der Oberfläche zog sich eine Bank rund um das Becken. Ich krempelte den Ärmel meiner yukata hoch und langte hinein, auf der Suche nach irgend etwas, das jemand verloren haben könnte. Ich erstarrte, als ich die äußere Tür des Umkleideraums hörte.
»Verzeihung?« Hughs Stimme klang unsicher. Er betrat das Bad erst, als ich ihm die Türe öffnete.
»Ich hätte nicht gedacht, daß du kommst.« Verwundert betrachtete ich seine merkwürdige Aufmachung: das Hemd und die Hosen von vorhin, und dazu schwarze Lederhandschuhe.
»Du solltest auch Handschuhe anziehen, Rei. Hast du das Fenster angefaßt?« schalt er.
Sein Tadel erleichterte mich. Zweifellos würden wir beide so tun, als wäre nie etwas vorgefallen. »Von hier aus siehst du, wie leicht es war, sie hinunterzuwerfen. Und das erklärt, weshalb keine Fußspuren von der Leiche weggeführt haben.«
»Ich weiß noch, daß du am Silvesterabend das Fenster geöffnet hast.« Hugh trat hinter mich, um es sich anzusehen. »Ich habe es zugemacht, als ich danach mit Yamamoto hier war.«
»Und?« fragte ich. Ich begriff nicht, worauf er hinauswollte.
»Deshalb sind deine und meine Fingerabdrücke auf dem Fenster, während Setsukos Mörder vermutlich Handschuhe getragen hat.«
»Wir sollten sie wohl besser nicht abwischen.«
»Auf keinen Fall. Stell dir vor, wir müßten das eines Tages einem Richter erklären.«
Ich setzte meine Suche in der Wanne fort. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich mich ausziehen und ins Wasser gehen können. Doch das konnte ich auch auf morgen verschieben.
»Sieh dir die Abdeckplatten an.« Hugh hielt einen der großen Plastikdeckel hoch, die ich zur Seite gelegt hatte. »Ganz leicht, aber unheimlich starr. Wenn ich dir damit über den Kopf hauen würde, wärst du sofort weg. Dann könnte ich mit dir anstellen, was ich will – zum Beispiel dich unter Wasser drücken, bis du ertrunken bist.« Er lachte leise. »Rein hypothetisch, meine Liebe.«
Etwas beunruhigt meinte ich: »Ich finde, sie sehen ziemlich sauber aus, aber man kann sie ja einfach unter der Dusche abwaschen.«
»Sehr richtig.« Hugh ging zur Dusche und machte sich am Abfluß zu schaffen. Es war eine ekelhafte Arbeit, und ich war froh, daß ich es nicht tun mußte.
»Hast du etwas?« fragte ich, nachdem ich weitere zehn Minuten im Bad nach Beweismaterial gesucht hatte.
»Nichts, was man gerne anfassen würde. Haarbüschel, hauptsächlich japanische. Es gibt auch ein paar helle Haare, wahrscheinlich von mir oder der Chapman. Man kann es unmöglich sagen in diesem Dreck.«
Nach einer Weile gaben wir auf und gingen in den Umkleideraum, um uns abzutrocknen. Hugh wusch sich gerade die Hände, als ich das Quietschen von Gummi auf Holz hörte: Jemand lief leise in Hausschuhen bis vor die Tür.
»Erwischt!« formte ich lautlos mit den Lippen.
»Keine Sorge. Wir tun so, als hätten wir zusammen gebadet«, flüsterte er und drehte das Wasser auf. Er hielt den Kopf unter den Wasserhahn, und ich tat das gleiche.
Draußen vor der Tür wartete Mrs. Yogetsu auf uns, das Gesicht vor Entrüstung verzerrt wie eine Backpflaume.
»Oh!« sagte ich, da mir nichts Besseres einfiel.
»Gibt es ein Problem, mein Schatz?« fragte Hugh und küßte mich auf den Kopf.
»Das hier ist kein Love-Hotel! Das ist ein anständiges Haus, und ich dulde es nicht, daß Sie es in Gemeinschaftsräumen miteinander treiben.« Mrs. Yogetsu benutzte einfache Verbformen, die für niedere Schichten gedacht waren, eine Sprache, die ich ihrer Meinung nach verstehen würde.
Hugh kraulte mich am
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