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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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ganz sicher, daß sie im Bad gestorben ist. Hätten Yuki und Taro an diesem Abend nur gebadet!«
    »Vielleicht haben sie es.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.« Aber mir fiel ein, daß Yuki am Neujahrsmorgen von der Unordnung im Bad erzählt hatte. Was hatte sie gesehen, und warum hatte sie alles aufgeräumt, statt auf Mrs. Yogetsu zu warten?
    »Wenn Sie es für einen Witz halten, warum lachen Sie dann nicht? Für eine Siebenundzwanzigjährige sind Sie viel zu ernst.«
    »Woher wissen Sie, wie alt ich bin?« Ich war erstaunt.
    »Mrs. Chapman redet gerne, und wir bedauern es beide, daß Sie sich auf das Lehrerghetto beschränkt haben. Hätten Sie Jura statt Kunstgeschichte studiert, hätten Sie eine Spitzenposition bei einem japanischen Unternehmen.«
    Ich rümpfte die Nase. »Anwälte machen kein Geld mehr. In Amerika ist die Situation so schlecht, daß die Hälfte der jungen Absolventen als Schuhverkäufer schwarzarbeitet.«
    »Wirklich? Erzählen Sie mir mehr.«
    »Über Anwälte in Amerika?«
    »Nein. Darüber, wie Sie aufgewachsen und warum Sie hierhergekommen sind, um sich ausgerechnet als Sprachlehrerin durchzuschlagen.«
    Ich weigerte mich, denn ich fühlte mich nicht ernst genommen. Ihm fehlte es nie an Worten, und so erzählte er seine eigenen Geschichten: wie er in einem kleinen Dorf in den Lowlands aufgewachsen war, an der Glasgow University studiert und in London zwei Jahre als Anwalt gearbeitet hatte, bevor er bei einer international tätigen Kanzlei anfing. Mit zweiunddreißig war er Berater von Unternehmen in Barcelona, New York, Düsseldorf und Buenos Aires gewesen; Tokio war seine erste Station in Asien.
    »Wo lebt Ihre Frau?« fragte ich, da ich in Tokio gehört hatte, daß Briten nie einen Ehering tragen.
    »Ich bin ledig. Ich dachte, das sei offensichtlich.« Er wirkte leicht amüsiert, als ahne er den wahren Beweggrund meiner Frage.
    »Bei Ihrem Alter hätte ich das nicht erwartet.« Ich wußte immer noch nicht, wieviel ich ihm glauben konnte.
    »So alt bin ich auch wieder nicht. Ich gehöre quasi zur Generation X.« Er räusperte sich. »Ich habe nicht viel Erfolg bei Frauen. Die, die ich kenne, wollen Häuser auf dem Land und Kinder, statt Stadtwohnung und Skiurlaub. Außerdem, wer will schon alle achtzehn Monate umziehen?«
    »Sie Ärmster.« Ich wollte ihm nicht zeigen, wie gut sich das für mich anhörte. Was erwartete er denn von mir – daß ich ihm sagte, ich sei die passende Frau für ihn? Meine Nervosität steigerte sich, als er nach der Rechnung langte, die die Kellnerin genau in die Mitte zwischen uns gelegt hatte.
    »Ich würde wirklich gerne zahlen«, sagte er, als auch ich die Hand danach ausstreckte.
    »Es ist ja nicht so, daß ich völlig verarmt bin«, sagte ich. Angestrengt versuchte ich, die auf dem Kopf stehenden Zahlen zu lesen und meinen Anteil auszurechnen.
    »Da Sie sich geweigert haben, mir etwas über Ihre Herkunft in Amerika zu erzählen, bleibt mir nichts anderes übrig, als das zu vermuten.« Hugh zog Geldscheine aus seinem Clip.
    »Dann vermuten Sie ruhig weiter«, sagte ich, als wir ins Taxi stiegen. Der Fahrer war schon vorgegangen und hatte es warmlaufen lassen. Ich schloß die Augen und machte es mir bequem für die lange Heimfahrt.
    »Weshalb die Geheimnistuerei? Ich weiß weniger über Sie als alle anderen in der Pension«, beschwerte sich Hugh.
    »Könnten Sie bitte ein bißchen langsamer fahren?« bat ich den Fahrer, der die kurvige Strecke bergab raste, als wäre nirgendwo Eis oder Schnee. Ich spürte ein vertrautes, unangenehmes Gefühl im Magen und verfluchte insgeheim die weite Entfernung und die Berge zwischen Shiroyama und Furukawa.
    »Erzählen Sie mir wenigstens, warum Sie Ihren Urlaub ganz allein in den Alpen verbringen. Wenn Sie mich fragen, dann sind Sie die verdächtige Person.«
    »Darüber kann ich nicht reden.« Schweißtropfen perlten auf meiner Stirn, als das Taxi vor der Autobahnauffahrt immer wieder anfuhr und stoppte. Sobald wir endlich vorankämen, wären es nur noch zwanzig Kilometer bis nach Hause. Das sollte ich überstehen können.
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    Hughs Intuition überraschte mich. Leise antwortete ich: »Es tut mir leid. Vielleicht sollte ich mich an einem Bahnhof absetzen lassen. Ein gleichmäßiges Tempo vertrage ich besser.«
    »Am besten, Sie ruhen sich aus. Hier, ich biete Ihnen meine Schulter an.«
    Ich durfte mich auf keinen Fall auf seinen schönen Anzug übergeben. Ich zog mich soweit wie möglich in die Ecke

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