Die Tote im Badehaus
zwischen uns passiert war – und auch emotional, wie ich widerwillig zugeben mußte –, hatte uns beide überrascht. Selbst wenn er mir vorab ein Geschenk gekauft hätte, gab es in Shiroyama nichts anderes als lackiertes Holz.
Ich ließ die Schachtel aufschnappen und erblickte etwas unangenehm Bekanntes – ein Halsband aus perfekt zusammenpassenden Acht-Millimeter-Perlen in dem Rosaton, den Japanerinnen bevorzugen.
Perlen mit einem Vierundzwanzig-Karat-Verschluß in Form eines Schmetterlings, von dem ein Stückchen abgebrochen war, als hätte jemand fest daran gerissen.
Ich mußte hinaus. Ich verstaute nicht einmal mehr die Decken, sondern warf die Schachtel einfach wieder in den Wandschrank. Was für eine Ausrede würde er dieses Mal haben? Ich war praktisch für ihn gewesen, hatte dazu beigetragen, daß kein Verdacht auf ihn fiel. Wahrscheinlich hatte er mir auf seine Art gedankt.
Im Bad wusch ich mich mit einem Schwamm und rubbelte alle Stellen ab, wo sein Mund mich berührt hatte. Dann zog ich mich an und bereitete alles für meine Abreise nach Tokio vor.
10
»Aber die Urlaubswoche ist noch nicht vorbei. Sie waren noch nicht im Geistermuseum.« Taro schob seine Brille etwas nach oben, als wolle er herausfinden, was meine wahre Absicht sei. Wir frühstückten zum letzten Mal zusammen, und er und Yuki hatten vehement gegen meine verfrühte Abreise protestiert. Mrs. Yogetsu schwieg, während sie unsere Frühstücksschalen mit warmem Reis füllte.
»Boyfriendo-Probleme.« Yukis Ausdrucksweise brachte mich nicht zum Lachen. Wie hatten sie das so schnell in Erfahrung gebracht!
»Ja, Rei, wollen Sie nicht noch warten, um sich von Hugh und Mr. Yamamoto zu verabschieden?« fragte Mrs. Chapman. »Ich glaube, sie wollten am Spätnachmittag vom Skifahren zurück sein.«
»Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Dieser Todesfall – ich habe so etwas noch nie erlebt. Und ich habe einen Platz im Morgenzug reserviert. Damit entgehe ich den Ausflüglern, die später wieder in die Stadt zurückkehren.«
»Sie fahren also zurück nach Tokio?« Mrs. Chapman klang ganz sachlich.
»Genau.« Zurück in meine miese Wohnung und zu meinem besten Freund Richard Randall und einem Job, der an den besten Tagen nur erträglich genannt werden konnte. Zurück zum Leben und nicht zum Tod.
»Keine Sorge, Kleines. Ich komme mit. Ich habe genug von den Bergen. Ich brauche jetzt eine japanische Weltklassegroßstadt. Ich wohne bei Ihnen, bis ich ein Hotel gefunden habe.«
Wie sollte ich ihr das ausreden? »Mrs. Chapman, ich lebe im vierten Stock ohne Aufzug. Anderthalb Zimmer ohne Heizung. In der Gegend gibt es viele Obdachlose.«
»Das klingt interessant!«
Taro grunzte, und Yuki hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Kichern zu verbergen.
Ich dachte an Mrs. Chapmans konservative Einstellung und fuhr die schweren Geschütze auf. »Mein Mitbewohner ist schwul oder bisexuell, er ist sich nicht ganz sicher. Wir müßten alle zusammen dort schlafen …«
»Na ja, ich kann mir genausogut ein Hotel suchen. Mit Heizung.« Sie blinzelte. »Mr. Ikeda, wären Sie bitte so nett und würden mir über Ihr Reisebüro etwas reservieren? So daß alles bereit ist, wenn wir ankommen?«
Im Zug hatten wir Sitzplätze und schliefen die halbe Strecke bis Tokio. Nach unserer Ankunft gingen wir direkt in das Touristenviertel im Südwesten. Taros Reisebüro hatte ein Einzelzimmer mit Bad und Zentralheizung in Roppongi gefunden, für nur $150; die einzige Erklärung dafür war, daß alle über die Feiertage die Stadt verlassen hatten. Mrs. Chapman freute sich über den Preis und die vielen westlichen Restaurants in dieser Gegend.
»Wir sprechen uns morgen früh«, sagte sie und schrieb sich in der Hotellobby meine Telefonnummer und Adresse auf. »Sie zeigen mir den Tokio-Tower und den Meiji-Schrein und vielleicht noch Disneyland.«
»Warum machen Sie nicht wieder eine Bustour? Es gibt überallhin organisierte Fahrten …« Ich war meinem Urlaub in der Hölle entronnen und mußte nun feststellen, daß er mich nicht loslassen wollte.
Sie verstand mich, denn sie sprach langsamer. »Herrgott, da rede ich und rede ich, und Sie haben Shiroyama wahrscheinlich verlassen, um mich loszuwerden! Mein Mann hat immer gesagt, ich sei penetrant. Es tut mir leid.«
»Nein, mir tut es leid«, sagte ich. »Es ist schwierig, sich als Fremde in einer ausländischen Stadt zurechtzufinden. Wir können uns bestimmt einmal treffen … vielleicht Anfang nächster
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