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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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überrascht, daß Dr. Tsutomu Shimura eine Kusine hatte. Eher hatte ich das Gefühl, daß für den dreiunddreißigjährigen, noch unverheirateten oisha-san, wie Ärzte unterwürfig genannt werden, regelmäßig junge Frauen anriefen. Sie teilte mir mit, daß Tom auf einer Konferenz sei und meine Nachricht bei seiner Rückkehr erhalten würde.
    »Sagen Sie ihm, ich sei Rei, seine Kusine aus Tokio, die über die Feiertage zu Hause ist«, bat ich. Ich hatte ihn erst ein paarmal getroffen, zum ersten Mal, als er meine Familie in Kalifornien besucht hatte, und Jahre später im Hause meiner Tante in Yokohama. Er war sehr freundlich gewesen und hatte gesagt, er bewundere mich, weil ich in so einem Viertel lebe. Ich war mir ziemlich sicher, daß er zurückrufen würde.
    Ich brachte einen Stapel Wäsche in die Reinigung, und auf dem Rückweg ging ich noch in den Lebensmittelladen. Ich brauchte ein paar Sachen und mußte Mr. Waka besuchen.
    Ich bahnte mir einen Weg durch die Regalreihen mit Toilettenartikeln und Snacks bis zur Kasse, wo der gut fünfzigjährige Mann meiner Träume gerade die Süßigkeiten eines Schülers eintippte. Er hatte fast keine Haare mehr und als Bauch einen kleinen Fußball, aber wir hatten vieles gemeinsam: in der Hauptsache die Leidenschaft für Gesellschaftsklatsch. Mr. Waka war ein großer Fan der japanischen Kaiserfamilie. Wenn im Laden nicht viel los war, übersetzte er mir aus den Boulevardzeitungen die besten Artikel über die jüngeren Familienmitglieder.
    »Irasshaimase, Shimura-san«, rief er freudig, als ich Milch und eine kleine Schachtel Sushi auf den Tresen vor ihn legte. »Welch eine Ehre, Sie wiederzusehen! Ich dachte, Sie hätten das Essen aufgegeben.«
    »Waka-san, ich kann nicht glauben, daß Sie meinen Urlaub vergessen haben. Bedeute ich Ihnen denn gar nichts?« Ich zog ein langes Gesicht.
    »So viel Geld werfen Sie weg für Reisen. Es muß sehr schön sein.« Mr. Waka packte meine Sachen ein. »Wo waren Sie? Ich kann mich nicht erinnern. So viele nette junge Fräulein kommen hierher und sprechen mit mir, daß ich sie nicht auseinanderhalten kann.«
    »Ich war in Shiroyama …«
    »Ach, ja! Bestimmt haben Sie viele Fernsehteams dort gesehen!« Mr. Waka sah ganz aufgeregt aus. Innerhalb von Sekunden saß ich mit ihm hinter der Theke, eine Schachtel Mandelgebäck zwischen uns. Während ich eine der salzig-süßen Brezeln mampfte, schilderte ich ihm, was passiert war, und die Leute, die dabei waren.
    Wie ich mir hätte denken können, befand Mr. Waka sofort, daß Setsukos Unfalltod ein Mord war. » Wah! Es muß einer der Ausländer gewesen sein. Der Scotlandjin oder die alte Dame, oder Sie!«
    »Jetzt seien Sie doch nicht wie alle anderen in diesem Land und nehmen von Ausländern immer nur das Schlimmste an. Was ist mit Mr. Nakamura, Mrs. Yogetsu oder den Ikedas?«
    »Aber Sie mochten doch die Nakamura-Frau nicht«, erklärte Mr. Waka. »Sie waren eifersüchtig wegen dem Scotlandjin. Wenn jemand ein Motiv hatte, dann Sie.«
    »Das stimmt nicht. Die Polizei hatte keine Probleme mit mir. Schließlich hat der Polizeichef mir meinen Paß wiedergegeben.«
    »Warten Sie nur, bis sie kommen. In dieses Viertel kommen sie sowieso ziemlich oft. Aber keine Sorge.« Er lachte mich strahlend an. »Ich gebe Ihnen eine persönliche Empfehlung.«
     
    Es war stockdunkel, als ich um die Ecke zu meiner Wohnung bog. Ich stolperte über etwas auf dem Gehsteig vor meinem Haus, und als ich ein Stöhnen hörte, begriff ich, daß ich einen meiner obdachlosen Nachbarn angerempelt hatte. Gewöhnlich lagen sie auf Zeitungen und Decken unter dem Vordach einer stillgelegten Fabrik ein Stück weiter.
    »Gomennasai«, entschuldigte ich mich. »Das war keine Absicht.«
    Der Mann zündete sein Feuerzeug an. In der Flamme sah ich sein erstauntes, zerfurchtes Gesicht. Ich hatte wieder etwas Seltsames getan. Mit Stadtstreichern sprach man normalerweise nicht.
    »Bitte nehmen Sie das.« Aus einem plötzlichen Impuls heraus drückte ich ihm das Essen, das ich im Laden gekauft hatte, in die Hand. Obdachlose bettelten nie; was ich tat, war radikal und vielleicht unwillkommen. Ich war mir nicht sicher, wie er reagieren würde, wich aus und rannte schnell nach Hause.
    Ich hatte vergessen, daß wir unseren kanji- Abend hatten. Richard, Simone und Karen saßen um meinen niedrigen kotatsu- Tisch , die Zehen an das elektrische Heizgerät darunter gedrückt. Die Leselernkarten lagen ordentlich gestapelt in der Mitte des

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