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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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als hätte sie meine Gedanken gelesen.
    Jedes Haus schien mit der zurückhaltenden Pracht entworfen worden zu sein, die in den japanischen Traditionen wurzelte; niedrige Gebäude mit makellosem cremefarbenen oder weißen Putz und schrägen Ziegeldächern in Grau oder Blau. Die Gärten waren ummauert, so daß man die Schätze darin nicht sehen konnte, doch durch ein Bambustor entdeckte ich einmal einen Springbrunnen. Unwillkürlich wünschte ich mir, aussteigen, diese ominöse tsuya sausen lassen und statt dessen die Paläste der Bourgeoisie genauer in Augenschein nehmen zu können.
    »Ich will eigentlich überhaupt nicht mit. Ich habe keine Ahnung, was ich dort machen soll«, gestand ich.
    »Rei-san, zweifeln Sie nicht an Ihrer Stärke.« Ihre Stimme klang beruhigend. »Ich habe über den Rechtsanwalt ein Fax von Hugh bekommen, in dem es heißt, ich kann Ihnen vertrauen, weil Sie so gut versteckte Wahrheit finden.«
    Er schickte also an alle denselben ironischen Kommentar. Sie hatte auch ein Fax bekommen, nur ich nicht. »Hat Hugh vielleicht Verwandte von Setsuko erwähnt? Gibt es eine Mutter, einen Vater?« Das Wort Kind schoß mir durch den Kopf, aber ich hielt es nicht für klug, Hikari alles zu erzählen.
    »Soweit ich weiß, leben ihre Eltern nicht mehr. Das ist das Haus. Bitte halten Sie.« Es war zu dunkel, um Hikaris Gesichtsausdruck zu sehen, aber in ihrer Stimme hörte ich Angst.

13
    Das kanji- Zeichenfür Tod schimmerte dunkel auf den weißen Papierlaternen, die das Haus der Nakamuras säumten. Leute in schlichten schwarzen Anzügen, Kostümen und Kimonos strömten an einer kleinen Armee von Reportern vorbei, die die Straße mit hellen Scheinwerfern und Mikrophonen blockierten. Einige Gäste antworteten auf die ihnen zugerufenen Fragen, doch ich hielt den Kopf gesenkt und folgte Hikari nach drinnen. Mein k ō den legte ich auf ein Tablett, das von zwei grimmig dreinblickenden Männern in schwarzen Anzügen bewacht wurde. Auf die Rückseite des Umschlags hatte ich den darin enthaltenen Betrag, fünftausend Yen, geschrieben, sowie den Mädchennamen meiner Tante, den ich als Decknamen verwenden wollte.
    Setsukos guter Geschmack war auch in ihrem Haus nicht zu übersehen. Kalligraphierollen hingen an den Wänden, und kleine antike Keramik- und Lackstücke waren auf glänzenden tansu- Kommoden arrangiert. Im Wohnzimmer wimmelte es von gutgekleideten Gästen und Kellnern in Smoking, die Whiskey und Bier anboten. Das Ganze wirkte wie eine sehr schicke Cocktailparty.
    Ein zweiter Raum mit tatami- Mattenauf dem Boden war zum Trauern bestimmt worden. Er war mit protzigen goldenen Bestattungssymbolen geschmückt, und es roch intensiv nach Hunderten von Topfchrysanthemen. Weitere Blumen umrahmten eine große Fotografie Setsukos, die mit ihrem kühlen angedeuteten Lächeln von einem dreistöckigen Altar aus auf uns herabblickte. Auf dem Altar standen Schüsseln voller Äpfel und Orangen, Opfergaben für Buddha.
    Ich betrachtete zuerst die Dekoration und konnte so meinen Gang zu dem brokatbedeckten Kasten vor dem Altar noch hinauszögern. Der Deckel war geschlossen, was zweifellos den beiden Autopsien zuzuschreiben war.
    Hikari und ich folgten einer Frau, die nach vorne ging und sich vorm Altar verneigte, wobei sie beim Gebet geräuschlos die Hände zusammenführte. Es dauerte nur eine Minute. Wahrscheinlich war es Aufgabe der Verwandten, morgen bei der Bestattung stundenlang dazuknien und zu beten. Es schienen nicht viele gekommen zu sein: Als Hikari und ich wieder ins Wohnzimmer gingen, identifizierte sie fast alle als Angestellte von Sendai mit ihren Ehefrauen.
    »Kennen Sie sie alle?« Ich war erstaunt.
    »Fast alle. Dort drüben ist der Präsident.«
    »Masuhiro Sendai?«
    »Ja. Aber Sie stellen sich besser nicht vor. Er interessiert sich für alle seine Angestellten.«
    Für alle außer denen, die in Ungnade gefallen sind, dachte ich, als ich den kleinen Mann mit dem dicken grauen Haarschopf betrachtete. In einer Ecke unterhielt er sich mit einem hochgewachsenen Ausländer. Ich bekam eine Gänsehaut.
    »Wer ist der gaijin?«
    »Er arbeitet nicht bei Sendai.«
    Der Mann trug einen Brooks-Brothers-Anzug, war Anfang Sechzig und hatte die selbstgefällige Ausstrahlung eines im Ausland lebenden wohlhabenden Geschäftsmannes. Vielleicht war es ein Rechtsanwalt, ein Anwärter auf Hughs Stelle.
    »Kann ich eine Liste der Leute bekommen, die ein k ō den mitgebracht haben?« fragte ich. Der Name eines Ausländers würde

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