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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Hugh Glendinning könnte ein Filmstar sein, so gut sieht er aus, aber man kann nie wissen.« Sie musterte mich. »Sie glauben, der Fall liegt anders. Ich habe Ihre zarten jungen Gefühle verletzt.«
    »Das haben Sie nicht. Es ist gut, eine Freundin mit mehr Erfahrung zu haben.« Im Gegensatz zu Richard, der die ganze Situation einfach nur zum Lachen fand. Auf ihre dominante Art versuchte Mrs. Chapman wenigstens zu helfen.
     
    In der Arbeit beschloß ich, Mr. Katoh die Wahrheit zu sagen – daß eine Bekannte von mir unerwartet gestorben sei und meine Anwesenheit bei der Trauerfeierlichkeit gewünscht wurde. Das war richtig gewesen; er nahm Trauerzeremonien sehr ernst. Natürlich durfte ich gehen. Mein Chef versicherte mir, daß Richard gerne meine Abendschüler übernehmen würde.
    Hikari und ich trafen uns um sechs Uhr vor einem Schnellimbiß in Shingawa. Weil wir die einzigen Frauen unter dreißig Leuten waren, die von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet waren und k ō den dabei hatten, war die Identifizierung einfach. Sie war begeistert von den langen falschen Haaren und dem damenhaften Junko-Shimada-Kostüm, das ich mir von Karen ausgeliehen hatte. Man merkte kaum, daß ich es um die Taille mit Sicherheitsnadeln enger gesteckt hatte. Ich kam mir vor wie eine japanische Barbiepuppe; nur die Brille mit der schwarzen Fassung, die ich mir von Richard geborgt hatte, paßte nicht ganz dazu.
    Ich sah etwas verschwommen, aber trotzdem nahm ich Hikari genau in Augenschein. Sie war groß, wie die hübschesten Mädchen in den Clubs von Roppongi. Ihr naturschwarzes Haar reichte ihr bis zu den Hüften, und sie hatte einen kleinen gekräuselten Pony. Das konservative schwarze Kostüm konnte man gutwillig als von Chanel inspiriert beschreiben, das doppelte C war eher schlecht als recht auf die Goldknöpfe gedruckt. Sie roch nach einem Puder, das ich als mein Deodorant wiedererkannte.
    Die erste halbe Stunde standen wir im Zug, aber nachdem an der Station Yokohama massenhaft Leute ausgestiegen waren, zwängten wir uns auf Sitzplätze. Ich zog drei englischsprachige Tageszeitungen mit Artikeln über Hughs Festnahme aus meinem Rucksack. Der Artikel in der Japan Times war mit LEBEN EINES WÜSTLINGS betitelt und beschrieb, wie Hugh die idyllische Ehe der Nakamuras zerstört hatte. Der Autor berichtete, daß Hugh jeweils für kurze Zeit in sechs verschiedenen Unternehmen gearbeitet hatte, in einer Wohnung in Roppongi lebte, die monatlich sechshunderttausend Yen kostete, und daß er seit seiner Ankunft in Japan schon mehrmals Strafzettel für Falschparken bekommen hatte. Anonyme Informanten unter den hier lebenden Ausländern behaupteten, seine letzte Freundin vor Setsuko Nakamura sei eine Anlageberaterin in London gewesen. Der Artikel zitierte auch Piers Clancy, der die Öffentlichkeit bat, daran zu denken, daß gegen Hugh keine Anklage erhoben, geschweige denn ein Urteil gesprochen worden sei und daß er als Jurist international einen hervorragenden Ruf habe. Die Presseabteilung von Sendai hatte keinen Kommentar abgegeben, was mich nicht überraschte.
    Hikari blickte mir über die Schulter, deshalb reichte ich ihr jeden Artikel, nachdem ich ihn fertig gelesen hatte. Als sie die Japan Times sah, fragte sie mich, was das Wort »Wüstling« bedeute.
    »In diesem Fall steht es für Playboy«, erklärte ich ihr. »Wissen Sie, was das ist?«
    »O ja.« Sie warf mir einen schmerzvollen Blick zu und las schweigend weiter, bis wir an der Endhaltestelle angelangt waren, Zushi. Am Straßenrand standen einige Taxis, und sie schob mich in eines hinein. An einer Felsenküste entlang wurden wir nach Hayama gefahren, die nahe gelegene Vorstadt, wo Mr. Nakamura wohnte.
    »Wie finden Sie denn mein Haar? Sieht es so falsch aus, wie es sich anfühlt?« Ich machte mir langsam doch Sorgen, daß ich einen Mann, der mich bereits kannte, nicht würde täuschen können.
    »Ich finde, Sie sehen sehr japanisch aus. Sie könnten fast meine Schwester sein.« Hikari ließ eine fluoreszierende Puderdose aufschnappen und puderte sich ihr perfektes Gesicht nach.
    Ich nahm Richards Brille ab, um die Vorstadthäuser zu betrachten. Jedes Grundstück war so groß, daß man ein weiteres Haus darauf bauen könnte. Das wäre auch geschehen, wenn das hier noch Tokio gewesen wäre.
    »Ich habe gehört, daß ein Reisbauer Mitte der siebziger Jahre sein Land verkauft hat. Damals hätte man es sich vielleicht leisten können. Heute ist es völlig undenkbar«, sagte Hikari,

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