Die Tote im Badehaus
Futon kuschelte.
»Hey, Rei. Was gibt’s Neues?« Es war Hugh Glendinning.
»Wie ist es mit Yamamoto weitergegangen?« Ich war sauer, weil er mich gestern nicht angerufen hatte.
»Ich habe ihn nach Hause gefahren, zu seiner Mutter und seinem Vater. Ein tränenreiches Wiedersehen, und so weiter.«
»Hat er schon mit der Polizei gesprochen?« Als Hugh nicht antwortete, platzte ich. »Du bringst dich um, weiß du das? Du könntest wegen Mittäterschaft bei seinem vorgetäuschten Tod angeklagt werden!«
»Begünstigung«, korrigierte er mich. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß er unschuldig ist. Erinnerst du dich noch an die Diskette, die mit der Formel für den Akku? Hikari hat sie im Büro nicht gefunden. Ganz wie Yamamoto angenommen hat: Nakamura muß nervös geworden sein und sie mit nach Hause genommen haben.«
»Oder Yamamoto erzählt uns Lügengeschichten.« Ich warf einen Blick auf Mariko, deren Pferdeschwanz ein bißchen weiter oben unter den Decken hervorspitzte. Sie lauschte.
»Schieß doch bitte deine Pfeile erst ab, wenn ich die Diskette gefunden habe«, bat mich Hugh.
»Wenn du sie gefunden hast? Was hast du denn vor, willst du bei ihm einbrechen?«
»Rein technisch gesehen wird es kein Einbruch sein. Du wirst schon sehen.«
»Was meinst du damit?«
»Ich brauche dich, Rei.« Hughs Stimme klang samtig. »Du weißt, wie man zu dem Haus kommt. Und was die rein körperliche Suche betrifft – unter Tische kriechen und so –, dazu bin ich leider noch nicht fähig.«
»Weshalb beauftragst du nicht einen professionellen Detektiv damit?« Ich suchte nach einer logischen Alternative.
»Unmöglich. Wenn Ota Wind von der Sache bekäme, würde er mich fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Nein, das muß ich schon selber machen. Wir verschaffen uns durch eine List Zugang. Wir putzen anstelle der regulären Reinigungskraft das Haus.«
»Na klasse, du weißt wirklich, was mich anmacht.« Zuerst die Toilette der Nakamuras, jetzt das ganze Haus. Der Weg nach oben stand mir offen.
»Ich habe das Mädchen, das bei mir immer saubermacht, schon gebeten, eine Uniform für dich mitzubringen. Wir fahren morgen hin. Und wenn das für dich aufregender ist: ich bezahle dich von meinem Regierungskonto.«
»Daß du fürs Essen und für das Taxi zahlst, ist schon beschämend genug, aber ich habe nun mal keine Wahl. Daß du aber mit mir über deine Spionagegelder sprichst, ist eine unglaubliche Beleidigung. Selbst wenn ich mitkommen wollte, ich habe morgen mittag Unterricht.«
»Könntest du nicht Koliken bekommen oder irgendwelche von diesen mysteriösen Mädchendingen, bei denen Chefs so ungern genauer nachfragen?«
»Sei nicht so sexistisch«, schimpfte ich. Andererseits war es vielleicht gar nicht so dumm, sich in Setsukos Haus umzusehen, vielleicht fand ich einen brauchbaren Hinweis auf den amerikanischen Vater. Vielleicht konnte ich Hugh beweisen, daß Setsukos Tod weniger mit High-Tech-Diebstahl zu tun hatte als mit gestörten Familienverhältnissen.
»Richard könnte mich wahrscheinlich vertreten. Aber wenn ich mitkomme …«
»Ich weiß.« Er lachte. »Du fährst.«
In einem Auto würde ich mich sicherer fühlen als in einem Zug, dachte ich, als ich zur Station Minami-Senju ging, um zur Arbeit zu fahren. Mir ging immer wieder durch den Kopf, wie Mrs. Yogetsu hier gestorben war. Mir lief es kalt über den Rücken, als ich über den Bahnsteig ging, wo sie hinuntergestoßen worden war, aber keiner der Pendler, die regelmäßig dort warteten, hatte über den Vorfall gesprochen.
Für mich war der Bahnhof ein finsterer Ort geworden. Wenn ich allein war, stellte ich mir vor, wie jemand im Schatten lauerte, und wenn ich umgeben von Menschen war, stellte ich mir vor, wie mir jemand unbemerkt ein Messer in den Rücken rammte oder mich auf die Gleise stieß. Manche Leute glauben ja, daß man in einer Gruppe auf jeden Fall sicher ist, aber ich war nur noch paranoid.
Ich kam wohlbehalten an. Richard erwartete mich bereits mit einer Nachricht in der Hand.
»Rate mal, wer angerufen hat!« Er hielt einen imaginären Kilt hoch und ahmte einen schottischen Tanz nach.
»Er hat hier auch angerufen? Ich habe keine Ahnung, was er sich dabei denkt.« Ich rollte den Zettel zusammen, bevor ich ihn in die Tasche steckte.
»Miss Bun hat mich ans Telefon geholt, weil er nicht japanisch spricht. Er hat irgendwas von einer dringenden Mitteilung an dich gesagt. Baby, wenn du es geschickt anstellst, kannst du nach
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