Die Tote im Badehaus
Roppongi Hills ziehen.«
»Oder ins Gefängnis! Ist bei ihm alles in Ordnung?«
»Er ist zu Hause, zwischen seinen ganzen traumhaften Luxushaushaltsgeräten mit Blick auf den Tokio Tower.« Richard seufzte. »Ich finde es wirklich ärgerlich, daß du das Schlafzimmer nicht gesehen hast. Ich habe ihn gefragt, aber er hat behauptet, ihr hättet es wirklich nicht getan.«
»Das hast du nicht!« Ich war entsetzt.
»Natürlich habe ich das. Er hat etwas furchtbar Trockenes und Britisches gesagt und gelacht. Ein sehr sexy Lachen.«
»Richard, du mußt mir helfen.« Ich konnte Mr. Katoh nicht erzählen, daß ich schon wieder zu einer Trauerfeier mußte. Nach ein paar Minuten Genörgel erklärte sich Richard bereit. Wir besprachen gerade die Einzelheiten, als Mr. Katoh hereinkam.
Ich war überrascht, ihn zu sehen, denn um diese Zeit besprach er sich normalerweise mit den anderen Abteilungsleitern. Ich rutschte von dem Schreibtisch, auf dem ich gesessen hatte, und verneigte mich. Mr. Katoh grüßte uns beide freundlich, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich.
»Heute ist schlechtes Wetter, Miss Shimura, nicht wahr? Gar nicht wie in Ihrem Kalifornien.«
»Ach, mittlerweile rechne ich schon damit, daß es um diese Jahreszeit regnet.« Sein Tonfall verriet mir, daß etwas anderes im Busch war. Auch Richard merkte es und floh mit der Entschuldigung, er habe Unterlagen in einem Klassenzimmer vergessen.
»Wollen wir in das Konferenzzimmer gehen? Ich habe ein Problem, bei dem Sie mir hoffentlich behilflich sein können. Wie Sie vielleicht bereits wissen, wollen wir die Sprachabteilung ausbauen.«
»Wollen Sie neue Lehrkräfte einstellen?« Ich setzte mich ihm gegenüber auf einen der schönen Lederstühle, die die leitenden Angestellten bei ihren Sitzungen benutzten.
»Letztendlich schon. Wir planen beträchtliche Erweiterungen für Osaka.«
Osaka war eine aufblühende Wirtschaftsstadt und wohl das Herz des kapitalistischen Japans. Trotzdem war Osaka allseits bekannt für seine Tristheit. Niemand, den ich kannte, würde das multikulturelle, spannende Tokio gegen Osaka eintauschen wollen. Doch mein Chef zählte auf mich.
»Die English Teachers’ Association kann Ihnen bestimmt ein paar gute Lehrer vermitteln«, sagte ich höflich.
»Das glaube ich auch.« Irgend etwas in der Stimme meines Chefs sagte mir, daß es aber nicht das war, worauf er hinauswollte. »Miss Shimura, wir sind sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit.«
»Danke.« Ich neigte den Kopf ein wenig, um meine Anerkennung zu zeigen.
»Die Firma würde Ihnen gerne eine Beförderung anbieten.« Sein unglücklicher Gesichtsausdruck stand im Widerspruch zu seinen Worten. »Nach Ihren langjährigen treuen Diensten als freie Mitarbeiterin würden wir Sie gerne als Firmenangestellte mit allen Leistungen übernehmen. Wir würden Sie gerne in Osaka einsetzen.«
»Auf Dauer?« krächzte ich.
»Ja. Sie könnten im Wohnheim für weibliche Angestellte wohnen.«
Na toll. Soviel ich gehört hatte, waren die gemeinsamen Zimmer der Wohnheime winzig. Es gab kaum Platz, seine Kleider aufzuhängen, ganz zu schweigen von meinen Antiquitäten. Im Wohnheim zu leben wäre wie eine Rückkehr ins College, nur daß es abends eine Sperrstunde und eine mürrische Aufseherin an der Tür geben würde.
»Warum schicken Sie denn nicht Richard hin?« Das Schicksal war mir zur Zeit nicht gewogen.
»Mr. Randall kommt nicht ganz so gut mit der japanischen Kultur zurecht. Wir haben vor allem an Sie gedacht.«
»Darüber muß ich gründlich nachdenken.« Ich fragte ihn gar nicht nach der Bezahlung, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, kein Betrag der Welt könnte mir den Verlust meiner Freunde und Verwandten und des Lebens, das ich mir so mühsam aufgebaut hatte, aufwiegen.
»Miss Shimura, was halten Sie davon?« Mr. Katohs müde braune Augen sahen mich bittend an.
»Darf ich Ihnen meine Antwort später geben?«
»Natürlich.« Mr. Katoh klang überrascht, und das bestärkte mich nur in dem Gefühl, daß sein Angebot eigentlich ein Befehl von oben war.
Mr. Katohs Vorschlag hatte mich so verblüfft, daß mein inszenierter Kollaps kurz vor der Mittagspause ziemlich realistisch war. Mr. Katoh regte sich furchtbar auf und wollte einen Krankenwagen rufen, aber Richard kam auf die wunderbare Idee, mich in ein Taxi zu setzen, das angeblich ins St.-Luke’s-Krankenhaus fuhr. Ich ließ das Taxi an der U-Bahn-Station halten, wo ich in die Hibiya-Linie stieg, um nach Roppongi zu
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