Die Tote im Götakanal
verriet.
Zehn Minuten später saß Ahlberg an seinem Schreibtisch, wie üblich in Hemdsärmeln, und sprach mit Göteborg. Zwischendurch kam Larsson ins Zimmer, begrüßte sie und hob fragend die Augenbrauen. Ahlberg legte den Hörer auf.
»Einige Blutspritzer auf der Matratze und dem Fußbodenbelag. Vierzehn im ganzen. Sie analysieren sie gerade.«
Mit dieser Entdeckung bestätigte sich ihre Theorie, daß der Mord in der Kabine Nr. A 7 begangen wurde.
Der Kommissar bemerkte ihre Erleichterung nicht.
Die Ebene, auf der ihre wortlose Verständigung vor sich ging, war ihm fremd. Wieder hob er die Augenbrauen und fragte: »War das alles?«
»Einige alte Fingerabdrücke«, berichtete Ahlberg.
»Nicht sehr viele. Es wird dort gründlich saubergemacht.«
»Der Landsfogd ist auf dem Weg hierher«, erklärte Larsson.
»Er ist uns natürlich willkommen«, bemerkte Ahlberg.
»Das fehlte ja noch, wenn’s anders wäre«, sagte Larsson.
Martin Beck fuhr um 17 Uhr 20 nach Hause, über Mjölby. Die Reise dauerte viereinhalb Stunden, und während der Fahrt setzte er den Brief nach Amerika auf. Bei seiner Ankunft in Stockholm hatte er ihn so gut wie fertig. Ein Meisterwerk war es nicht geworden, aber das half nichts. Um Zeit zu sparen, nahm er ein Taxi nach Nikolai, ließ sich ein Vernehmungszimmer geben und schrieb den Brief gleich in die Maschine. Während er ihn durchlas, hörte er, wie aus dem Haftlokal nebenan ein paar Betrunkene grölten und fluchten, und ein Konstabler sagte:
»Nur ruhig, Jungs. Nur ruhig.«
Zum erstenmal seit langem mußte er an seine eigene Zeit als Streifenpolizist denken. Wie hatte er damals diese trüben Sonnabende ver- abscheut.
Um Viertel vor elf stand er vor dem Postamt in Vasagatan. Der Deckel des Briefkastens fiel mit einem Klack herunter.
Er schlenderte südwärts im Nieselregen davon, vorbei am Continental und dem neuen Superwarenhaus. Auf der Rolltreppe hinunter zum Bahnhof gingen seine Gedanken zu Kafka. Ob dieser Mann, den er nicht kannte, wohl wirklich begriff, was er meinte?
Martin Beck war müde, und bereits bei der Station Slussen war er eingeschlummert; da er sowieso bis zur Endstation fuhr, konnte er ruhig schlafen.
12
Zehn Tage später am Morgen. Auf Martin Becks Schreibtisch lag der Antwortbrief aus Amerika. Er sah ihn sofort, schon bevor er Zeit gefunden hatte, die Tür hinter sich zu schließen. Während er den Mantel aufhängte, fiel sein Blick auf sein eigenes Gesicht im Spiegel neben dem Türpfosten. Es war ganz farblos mit dunklen Rändern unter den Augen, die nicht mehr von der Grippe herrührten, sondern vom Schlafmangel. Er riß den großen braunen Briefumschlag auf und entnahm ihm zwei Vernehmungsprotokolle, einen maschinengeschriebenen Brief und einen Zettel mit biographischen Daten. Er blätterte neugierig die Bogen durch, widerstand aber dem Impuls, sofort mit dem Lesen zu beginnen.
Statt dessen ging er ins Sekretariat und bat um eine Blitzübersetzung mit drei Durchschlägen.
Anschließend ging er die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu Kollbergs und Melanders Dienstzimmer. Mit dem Rücken gegeneinander saßen die beiden an ihren Schreibtischen und arbeiteten.
»Habt ihr die Möbel umgestellt?«
»Die einzige Möglichkeit, es noch auszuhalten«, sagte Kollberg. Auch er war blaß und hatte rotumränderte Augen. Der unerschütterliche Melander sah aus wie immer.
Vor Kollberg lag ein Bericht auf gelbem Durchschlagpapier. Den Zeilen mit dem Finger folgend, berichtete er: »Hier teilt also Frau Liselotte Jensen, 61 Jahre, der dänischen Polizei in Vejle mit, daß es eine reizende Reise war, daß das große kalte Büfett ebenfalls reizend war. Es regnete einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, und daß das Schiff etwas Verspätung hatte und daß sie in der Nacht, als es regnete, draußen auf einem See seekrank geworden sei. Das war die zweite Nacht. Die Reise war trotzdem bezaubernd, und alle Mitpassagiere waren so nett.
An das niedliche Mädchen auf dem Foto kann sie sich überhaupt nicht erinnern. Auf jeden Fall saß es nicht am selben Tisch, aber der Kapitän war bezaubernd, und ihr Mann bedauerte nur, daß man das viele gute Essen nicht aufessen konnte. Das Wetter war reizend, außer wenn es regnete. Sie wußten nicht, daß Schweden so hübsch sein könne. – Das wußte ich nebenbei auch nicht. – Und die meisten Abende hätten sie mit den bezaubernden Südafrikanern, Herrn und Frau Hoyt aus Durban, Bridge gespielt. Nur waren die Kojen etwas klein,
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