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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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genommen.«
    »Scheußliche Vorstellung.«
    Beide Männer schwiegen.
    Beide dachten an die kleine Kabine mit ihrer spartanischen Einrichtung. Beide malten sich in der Phantasie das Nichtgesagte aus, und beide litten unter ihrer Hilflosigkeit. Sie suchten in den Taschen nach Zigaretten und rauchten schweigend.
    Martin Beck blickte hinaus auf eine Bucht des Sees Äsunden und dachte an Sten Sture, der dort unten auf seiner Bahre gelegen hatte. Schneeflocken wehten in seine Wunden, aber er schuf un-sterbliche Aphorismen über den Tod, wachsbleich, sanft und milde, während er verblutete.
    Als sie in Ulricehamn einfuhren, sagte er: »Einige der Verletzungen kann er ihr zugefügt haben, als sie schon tot oder zumindest bewußtlos war. Im Obduktionsbefund steht nichts Gegenteiliges. Eher umgekehrt.«
    Ahlberg nickte. Ohne daß sie darüber zu sprechen brauchten, wußten sie, daß dieser Gedankengang für beide etwas Tröstliches hatte.
    In Jönköping hielten sie an einer Cafeteria und tranken Kaffee. Martin Beck bekam wie üblich Magenschmerzen davon, aber gleichzeitig fühlte er sich etwas frischer.
    Bei Gränna sprach Ahlberg aus, was beide während der letzten Stunden gedacht hatten:
    »Wir kennen sie nicht.«
    »Nein«, stimmte Martin Beck zu, ohne den Blick von dem diesigen und trotzdem hübschen Ausblick auf Per Brahes Visingsö zu lösen.
    »Man weiß viel zu wenig über sie. Wer sie war…
    Ich meine…« Er schwieg.
    »Ich weiß, was du meinst.«
    »Was hat sie für einen Lebenswandel geführt?
    Was für Männer bevorzugte sie? All dies.«
    »Genau.«
    Die Frau auf der Persenning hatte jetzt einen Namen und eine Adresse und einen Beruf bekommen.
    Aber mehr nicht.
    »Glaubst du, die Leute von Göteborg finden etwas?«
    »Noch brauchen wir die Hoffnung nicht aufzugeben.«
    Ahlberg warf ihm einen kurze n Blick zu. Natürlich, es war eine dumme Frage gewesen. Was konnten sie schon von der technischen Untersuchung erhoffen? Wenn sie Glück hatten, widerlegte sie ihre Annahme nicht, daß der Mord tatsächlich in der Kabine Nr. A 7 begangen wurde. Nach der betreffenden Fahrt war die Diana noch vierundzwanzigmal zwischen Stockholm und Göteborg hin und her gefahren. Das bedeutete, daß die Kabine ebenso viele Male gründlich gereinigt worden war, daß die Bettwäsche, die Handtücher und andere , Sachen, die sich dort befanden, immer wieder gereinigt und ausgewechselt worden waren. Es bedeutete weiter, daß nach Roseanna McGraw etwa dreißig bis vierzig Personen in der Kabine genächtigt hatten, die alle ihre Spuren hinterlassen hatten.
    »Bleibt nur die Zeugenvernehmung«, sagte Ahlberg.
    »Ja.«
    Fünfundachtzig Menschen, von denen einer vermutlich schuldig war und die übrigen vierundachtzig alle kleine Steinchen in dem großen Rätselspiel.
    Fünfundachtzig Menschen, verteilt über vier verschiedene Erdteile. Schon sie aufzuspüren war eine Sisyphusarbeit. Wie es möglich sein sollte, sie zu verhören und das Berichtmaterial zusammenzustellen, daran wagte er nicht zu denken.
    »Und Roseanna McGraw«, sagte Ahlberg.
    »Ja«, sagte Martin Beck. Und nach einer Weile:
    »Ich sehe nur eine Möglichkeit…«
    »Über den Kerl in Amerika?«
    »Ja.«
    »Wie heißt er noch?«
    »Kafka.«
    »Seltsamer Name. Was für einen Eindruck macht er eigentlich?«
    Martin Beck dachte an das absurde Telefongespräch vor einigen Tagen, und zum erstenmal an diesem düsteren Tag verzog sich sein Mund zu einem schwachen Lächeln. »Schwer zu sagen«, meinte er.
    Halbwegs zwischen Vadstena und Motala sagte Martin Beck, mehr zu sich selbst: »Reisetaschen, Kleider, Toilettengegenstände, Zahnbürste, Souvenirs, die sie gekauft hatte. Der Paß, Geld, Reiseschecks. «
    Ahlberg preßte die Hände fest um das Steuerrad und starrte wütend auf den Fernlaster, hinter dem sie schon seit 20 Kilometern hingen.
    »Ich werde den Kanal absuchen lassen«, knurrte Ahlberg. »Zuerst zwischen Borenshult und dem Hafen, dann auf der Ostseite des Borensees. Die Schleusen sind schon klar, aber…«
    »Der Vätternsee?«
    »Ja. Und da haben wir fast keine Chance. Wenn nur nicht der Bagger alles draußen im Borensee begraben hätte. Bisweilen träume ich von dieser verteufelten Maschine, und ich wache mitten in der Nacht auf, fahre im Bett hoch und fluche. Meine Frau hält mich schon für übergeschnappt…«
    »Armer Kerl«, sagte Ahlberg und hielt vor dem Polizeigebäude.
    Martin Beck streifte ihn mit einem Blick, der etwas Neid, Mißtrauen und Respekt

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