Die Tote im Götakanal
ja eine Grenze haben.
Kafka: Wie oft passierte das? Antworten Sie!
Peterson: Bitte nicht diesen Ton.
Kafka: Den Ton lassen Sie meine Sorge sein. Wie oft brachte sie Männer mit in die Wohnung?
Peterson: Ein- oder zweimal im Monat.
Kafka: Immer verschiedene?
Peterson: Das kann ich nicht sagen. Es geschah hauptsächlich, wenn ich selbst aus war oder tanzen ging oder so.
Kafka: Pflegte Miss McGraw nicht mit Ihnen auszugehen?
Peterson: Niemals. Ich weiß nicht einmal, ob sie tanzen konnte.
Kafka: Können Sie jemanden namhaft machen von den Männern, mit denen sie Umgang hatte?
Peterson: Da war ein deutscher Student, den wir in der Bibliothek!? kennenlernten. Ich selber habe die beiden zusammengeführt. Mildenberger hieß er.
Uli Mildenberger. Den hat sie drei- oder viermal mit nach Hause genommen.
Kafka: Innerhalb welcher Zeitspanne?
Peterson: Einen Monat oder fünf Wochen. Aber er rief sie jeden Tag an, und in der Zwischenzeit trafen sie sich wohl auch irgendwo. Er wohnte mehrere Jahre lang hier in Lincoln. Im letzten Frühjahr ist er nach Europa zurückgefahren.
Kafka: Wie sah er aus?
Peterson: Hübsch, blond und breitschultrig.
Kafka: Hatten Sie selber intimen Verkehr mit diesem Mildenberger?
Peterson: Erlauben Sie mal, das geht ja wohl zu weit!
Kafka: Wie viele verschiedene Männer hat sie nach Ihrer Meinung während der Zeit, wo Sie zusammenwohnten, mit nach Hause gebracht?
Peterson: Tja… sechs oder sieben, würde ich sagen.
Kafka: Fühlte sich Miss McGraw zu irgendeinem bestimmten Männertyp hingezogen?
Peterson: Darin war sie völlig normal. Sie mochte gutaussehende Männer. Zumindest solche, die wie Männer aussahen.
Kafka: Was wissen Sie von ihrer Reise?
Peterson: Nur, daß sie sie schon lange geplant hatte. Einen Monat lang wollte sie herumreisen und soviel wie möglich sehen, und die restliche Zeit wollte sie dann in Paris oder Rom verbringen. Warum fragen Sie das alles eigentlich? Die Polizei da drüben hat den Kerl, der sie ermordet hat, doch erschossen.
Kafka: Die Meldung war leider falsch. Beruhte auf einem Mißverständnis.
Peterson: Kann ich jetzt endlich gehen? Ich habe schließlich auch noch was zu tun.
Kafka: Nur noch eine Frage. Wie reagierten Sie, als Sie Kenntnis von Miss McGraws Ermordung bekamen?
Peterson: Ich war natürlich zuerst schockiert. Aber nicht besonders erstaunt.
Kafka: Warum nicht?
Peterson: Das fragen Sie noch? Bei dem Lebenswandel?
Kafka: Das war’s dann wohl, Miss Peterson. Auf Wiedersehen!
Peterson: Und Sie vergessen nicht, was Sie mir versprochen haben?
Kafka: Ich habe nichts versprochen. Du kannst das Tonband jetzt abstellen, Jack.
Martin Beck lehnte sich im Drehstuhl zurück, führte die linke Hand zum Mund und biß sich auf das mittlere Zeigefingerglied. Dann nahm er den letzten Bogen auf und las zerstreut Kafkas Kommentar durch:
Roseanna Beatrice McGraw, geb. 18. Mai 1937 in Denver/Col. Vater: kleiner Farmer. Farm 20 Meilen von Denver entfernt. Ausbildung: College in Denver, anschließend drei Jahre an der University of Colorado. Beide Eltern Herbst 1960 verstorben.
Erbschaft: ca. 20000 Dollar, im Juli 1962 ausgezahlt. Miss McGraw hat kein Testament hinterlassen und hat, soweit man weiß, keine Erben.
Betreffend Zuverlässigkeit der Zeugen: Mein Eindruck war, daß sich Mary Jane Peterson in einigen Punkten nicht strikt an die Wahrheit gehalten hat, vermutlich, um ihren eigenen Ruf nicht zu gefährden. – Mulvaneys Zeugenaussage habe ich in einigen Punkten nachprüfen lassen. Die Angabe, daß R. McG. den Zeugen Mulvaney während der Zeit November 1962 bis Juli 1963 nur einmal betrogen hat, scheint zutreffend zu sein. Es geht aus einer Art Tagebuch hervor, das ich in ihrer Wohnung fand. Unter dem Datum des 22. März fanden sich die Anfangsbuchstaben U. M. (Uli Mildenberger?). Sie notierte ihre Verabredungen immer in derselben Weise: eine Art Code mit Datum und Anfangsbuchstaben. Irgendwelche Unwahrheiten oder direkten Irrtümer habe ich in Mulvaneys Aussage nicht nachweisen können.
Über die Zeugen: Mulvaney ist ungefähr 1,85 m groß, recht kräftig, blaue Augen, mittelblondes Haar, wirkt aufrichtig, aber etwas naiv. Mary Jane Peterson ist ein hübsches, frisches Mädchen, flott gekleidet. Auffallend schlank, gut gewachsen. Keiner der Zeugen erscheint in unseren Polizeiakten, abgesehen von dem lächerlichen Wohnungskrach 1962.
(Unterschrift)
Martin Beck zog seine Jacke an und schloß die Tür wieder auf. Dann ging er zu
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