Die Tote im Götakanal
nennt?«
»Auch nicht. Ich liebe mein Junggesellenleben, und das Alleinsein stört mich nicht.«
»Haben Sie Geschwister?«
»Nein. Ich war einziges Kind.«
»Und sind zusammen mit ihren Eltern aufgewachsen?«
»Mit meiner Mutter. Mein Vater starb, als ich sechs Jahre alt war. Ich erinnere mich kaum an ihn.«
»Aber gelegentlichen Umgang mit Frauen werden Sie wohl haben?«
»Das ja. Ich bin ja beinahe vierzig, da hat man natürlich seine Erfahrungen gemacht.«
Martin Beck sah ihn unverwandt an. »Wenn Sie weiblichen Umgang brauchen, suchen Sie sich dann eine Prostituierte?«
»Nein, nie. Das hab ich noch nie getan.«
»Können Sie uns eine Frau namhaft machen, mit der Sie längere Zeit befreundet waren?«
»Natürlich könnte ich das, ich sehe aber nicht ein, warum Sie das wissen wollen. Schließlich sind das sehr private Dinge.«
Martin Beck zog die Schreibtischschublade ein Stück heraus und blickte hinein, dann fuhr er sich mit dem Zeigefinger über die Unterlippe. »Ich kann Ihnen versichern, daß wir unsere Gründe haben«, murmelte er undeutlich. »Sie würden uns wirklich sehr helfen…«
»Die Frau, mit der ich am längsten… engagiert war, sie… sie ist jetzt verheiratet, und wir haben keinen Kontakt mehr miteinander. Es würde peinlich für sie sein.«
»Trotzdem wären wir Ihnen dankbar…«
»Und wenn sie dadurch Unannehmlichkeiten bekommt?«
»Durch uns ganz bestimmt nicht, das verspreche ich Ihnen. Also - wie heißt sie?«
»Na gut, ich verlasse mich auf Ihr Wort… Jetzt heißt sie Siv Lindberg. Aber Sie müssen mir wirklich versprechen…«
»Und die Adresse?«
»Die genaue Anschrift weiß ich nicht. In Bodal auf Lidingö irgendwo. Ihr Mann ist Ingenieur.«
Martin Beck warf einen letzten Blick auf seine Unterlagen; das Bild der Frau von Växjö lag obenauf.
Dann schob er das Fach zu.
»Das wäre dann alles«, sagte er. »Entschuldigen Sie, daß wir Sie mit derartigen Fragen belästigen mußten. Aber das gehört leider zu meinem Beruf.«
Melander kam herein und setzte sich an seinen Schreibtisch.
»Darf ich Sie bitten, ein paar Minuten zu warten?«
fragte Martin Beck.
Im Zimmer ein Stockwerk tiefer hörten sie gerade die letzten Sätze vom Tonband. Martin Beck stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt und hörte zu.
»Wollen Sie etwas trinken?«
»Nein, danke, ich bin nicht durstig.«
Der Landsfogd sprach als erster.
»Na?«
»Laß ihn laufen.«
Der Landsfogd blickte an die Decke, Kollberg auf den Fußboden und Ahlberg auf Martin Beck.
»Du hast ihn nicht sehr hart rangenommen«, meinte der Landsfogd. »Das war kein langes Verhör.«
»Nein.«
»Und wenn wir ihn nun verhaften?« fragte der Landsfogd.
»Dann mußt du ihn Donnerstag um diese Uhrzeit wieder laufen lassen«, stellte Hammar fest.
»Davon wissen wir nichts.«
»Nein«, sagte Hammar.
»Tja, na denn mal los«, der Landsfogd beendete das Gespräch.
Martin Beck nickte. Er ging aus dem Zimmer und die Treppe hinauf, das Kribbeln in der linken Hälfte seines Brustkorbs wollte nicht aufhören. Melander und der Mann, der Folke Bengtsson hieß, schienen sich während seiner Abwesenheit nicht von der Stelle gerührt zu haben, und nichts deutete daraufhin, daß sie miteinander gesprochen hatten.
»Es tut mir leid, daß wir Ihnen die Mühe gemacht haben. Kann ich Sie vielleicht nach Hause bringen lassen?«
»Danke, ist nicht nötig. Ich nehme die U-Bahn.«
»Das geht auch sicher schneller.«
»Glaube ich auch.«
Martin Beck begleitete ihn ins Erdgeschoß hinunter. »Also, auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehe n.«
Ein kräftiger Händedruck.
Kollberg und Ahlberg saßen noch immer da und starrten auf das Tonbandgerät.
»Sollen wir ihn weiter beschatten?« fragte Kollberg.
»Ist nicht nötig.«
Ahlberg sah Martin Beck an. »Glaubst du, daß er es ist?«
Martin Beck stand mitten im Zimmer und betrachtete seine Fingernägel. »Ja«, sagte er schließlich.
»Ich bin felsenfest davon überzeugt.«
24
Das Haus erinnerte in allem an sein eigenes in Bagarmossen. Ein bescheidener Treppenaufgang mit einheitlichen Namensschildern an den Türen und Müllschluckern zwischen den Etagen. Die Adresse war Bodal, Fregattvägen, und er war mit der Lidingöbahn hingefahren.
Er hatte den Zeitpunkt mit Bedacht gewählt. Mittags um Viertel nach eins sitzen schwedische Angestellte in ihren Büros und etwaige Kleinkinder sind zu Bett gebracht. Die Hausfrau hat das Radio angestellt und trinkt Kaffee mit
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