Die Tote im Keller - Roman
operativ zu entfernen. Falls sich der Krebs jedoch ausgebreitet hatte, sah die Prognose nicht sonderlich rosig aus, und sie hatte bereits drei Knoten an unterschiedlichen Stellen des Körpers gefunden!
Am Montag muss Krister mit ihm zum Tierarzt, dachte sie. Ihr kamen die Tränen, alles verschwamm vor ihren Augen. Nur nichts übereilen, ermahnte sie sich und schluckte. Aber das hatte keinen Sinn, sie hatte einen Kloß im Hals, und der ließ sich nicht vertreiben.
Zärtlich drückte sie Sammies Kopf an ihr Gesicht und legte ihre Wange an seine. Erst wirkte er verwundert, merkte dann aber, dass sein Frauchen traurig war. Vorsicht stupste er mit seiner Schnauze ihre Nase an und leckte sie dann im Gesicht.
Am Sonntagmorgen war es vollkommen windstill, und der Himmel war blau. Irene spazierte mit dem schlaftrunkenen Sammie hinunter zur Fiskebäck Marina. Sie hatte sich eine dicke Jacke angezogen, ihm reichte sein dichtes Fell als Schutz.
Am Meer war es atemberaubend schön. Die Sonne funkelte auf der unberührten Schneedecke auf dem Eis und blendete sie. Die große Kälte der letzten Tage hatte dazu geführt, dass die Küste Schwedens ungewöhnlich früh mit einer Eisdecke überzogen war. Wenn die Kälte anhielt, war es sicher bald möglich, mit dem Auto zu den Schäreninseln zu fahren.
Irene ließ Sammie von der Leine, und dieser begann überglücklich im Schnee herumzutollen und sich zu wälzen. Er liebte Schnee, und die Kälte machte ihm nicht das Geringste aus. Es spielte auch keine Rolle, dass er nicht angeleint war, er war inzwischen so alt und sah so schlecht, dass er nicht mehr abhauen würde. Mit Schnee im Pelz kam er schwanzwedelnd auf Irene zugelaufen. Er sah so glücklich aus, wie nur ein freier Terrier
aussehen kann. Der Gedanke daran, wie alt und krank er wirklich war, versetzte Irene einen Stich. Es blieb ihm nicht mehr viel Zeit.
Als sie wieder zu Hause waren, ließ sich Sammie auf den Teppich im Wohnzimmer fallen. Nach ein paar Minuten schnarchte er laut. Er hatte sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, sich ein Stückchen Leberwurstbrot zu erbetteln, obwohl Krister gerade frühstückte. Irene küsste ihren Mann auf die Wange. Die Kaffeekanne stand auf dem Tisch, und sie goss sich die Tasse bis zum Rand ein. Dann schmierte sie sich ein Brötchen und erzählte Krister von den beunruhigenden Knoten.
»Du hast doch morgen frei. Könntest du nicht beim Tierarzt vorbeischauen?«, meinte sie.
»Klar, ich habe ja eh nichts Besseres zu tun.«
Sein sarkastischer Unterton entging Irene nicht, aber sie konnte nicht verstehen, warum er plötzlich so sauer reagierte.
»Du hattest andere Pläne?«, fragte sie.
Er seufzte hörbar.
»Nein. Ich rufe dort an.«
»Ist das okay?«
»Ja, ja.«
In Irenes Ohren klang das trotzdem nicht so. Sie verzichtete jedoch darauf nachzubohren. Sie würde schon früh genug erfahren, was mit ihm nicht stimmte. Vielleicht war er einfach nur müde. Die Wochenendschicht war lang. Irene beschloss, ihn und die Zwillinge damit zu überraschen, dass ein gutes Abendessen auf dem Tisch stand, wenn sie heute nach Hause kamen.
Gegen vier klingelte das Telefon. Fredriks muntere Stimme trompetete aus dem Hörer:
»Wir haben den Passat gefunden«, begann er euphorisch.
»Was für einen Passat?«, fragte sie, ehe sie noch nachgedacht hatte.
»Den schwarzen Kombi, mit dem Heinz Becker und sein
Kumpan sowie das Mädchen, das jetzt im Krankenhaus liegt, abgeholt worden sind!«
»Ach. Ich meine …«
»Heute Nacht wurde ein Typ aufgegriffen. Er fuhr einen dunkelblauen Passat Kombi, war stockbetrunken. Sein Name ist Anders Pettersson, ein stadtbekannter Krimineller.«
»Stadtbekannt? Ich weiß nicht, wer das ist«, fiel ihm Irene ins Wort.
Fredrik lachte.
»Anders Pettersson sagt dir vielleicht nichts, aber vielleicht ›der Indianer‹?«, erwiderte er.
Den Indianer kannte Irene sehr gut. Ein Dealer, der bei der Polizei einen üblen Ruf besaß, weil er Drogen an Kinder und Jugendliche verkaufte. Er war besonders skrupellos und verlangte von seinen jungen Kunden sexuelle Gegenleistungen, sobald er sie erst einmal am Haken hatte. Einige waren noch nicht einmal Teenager. Es spielte auch keine Rolle, ob Mädchen oder Jungen. Einige Male war er schon wegen Unzucht mit Minderjährigen und wegen Drogenvergehen belangt worden, aber bis zum Prozess war es meist nicht gekommen. Zwar konnte nie bewiesen werden, dass er Kläger oder Zeugen erpresste. Aber alle Personen, die die
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