Die Tote im Keller - Roman
Sie damit umgehen?«
»Vermutlich sind wir gezwungen, einen Abbruch vorzunehmen. In ihrem Zustand verkraftet sie keine Schwangerschaft. Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt noch mal aufwacht. Aufgrund der Einstichstellen haben wir sie auf Krankheiten getestet, die auf diesem Weg übertragen werden. Sie hat weder Hepatitis A noch Hepatitis B, ob sie HIV-positiv ist, wissen wir noch nicht.«
Irene überkam ein Gefühl der Ohnmacht. Diese Mädchen waren zu einem fürchterlichen Dasein verurteilt: verkauft, missbraucht, verbraucht. Und schließlich weggeworfen.
Nach dem Gespräch mit dem Arzt rief Irene Svante Malm von der Spurensicherung an und bat ihn, auf die DNA-Profile von Leili und Andres Tamm zu warten. Wie immer war er sehr kooperativ und versprach, sofort zurückzurufen, wenn er erste Ergebnisse hätte.
Irene beschloss, erst mal essen zu gehen. Es sah so aus, als würde es ein langer Arbeitstag werden.
Als sie nach einem hastigen Essen wieder in ihr Büro kam, hatte sie eine E-Mail von der estnischen Polizei. Es lagen keine Vermisstenmeldungen vor, die den Angaben aus Irenes Anfrage entsprochen hätten. Auch ein Fotovergleich hatte keinerlei Übereinstimmungen ergeben. Ohne sonderliche Verwunderung stellte Irene fest, dass beide Pässe gefälscht waren. Wer waren Leili und Andres Tamm wirklich?
D ie Obduktion der kleinen Russin bestätigt unsere Vermutung, dass sie erdrosselt wurde, und zwar von vorne. Der Mörder hat sie mit beiden Händen am Hals gepackt und mit den Daumen zugedrückt. Wahrscheinlich war nicht sonderlich viel Kraft erforderlich. Sie hat sich jedoch gewehrt. Unter ihren Fingernägeln haben wir Hautreste gefunden. Wir haben also die DNA des Mörders. Und die entspricht der des Spermas, das wir in ihrem Haar gefunden haben.«
Tommy Persson klang optimistisch. DNA-Spuren waren bei der Verurteilung eines Täters sehr hilfreich. Jetzt ging es nur noch darum, den Mann zu finden.
Irene, Fredrik Stridh, Jonny Blom und Kommissar Andersson hörten dem Bericht Tommys zu. Jonnys neuer Kollege Jesper Tobiasson saß daneben und kümmerte sich mit Eifer um die jugendlichen Ausbrecher – vermutlich jene Männer, die vor dem Gebäude des Schwedischen Fernsehens Fahrerflucht begangen hatten.
»Die kleine Russin wies mehrere Verletzungen im vaginalen und analen Bereich auf. Außerdem litt sie an einer sehr schweren Unterleibsinfektion, die von resistenten Gonokokken hervorgerufen worden war. Ich habe mich bei Yvonne Stridner erkundigt, was das bedeutet. Resistent bedeutet, dass sich die Bakterien mit einem herkömmlichen Antibiotikum nicht behandeln lassen. Die Infektion war so weit fortgeschritten, dass das Mädchen eine beginnende Blutvergiftung hatte. ›Sepsis‹, wie es im Protokoll steht. Offenbar waren die Gonokokken durch die Verletzungen
am Unterleib in den Blutkreislauf geraten. Nieren und Lungen wiesen bereits Bakterien auf. Als sie ermordet wurde, muss sie sehr krank gewesen sein. Das ist zwar auch kein Trost, aber sie wäre höchstwahrscheinlich an dieser Infektion gestorben. «
»Es könnte also sein, dass Heinz Becker oder Andres Tamm das Mädchen loswerden wollten«, stellte Irene sachlich fest.
»Durchaus möglich. Wir müssen ihre DNA mit der der Hautabschürfungen und des Spermas vergleichen«, sagte Tommy.
»Ich habe ihre DNA angefordert. Sie kommt in ein paar Tagen«, informierte Irene.
»Gut. Dann warten wir bis dahin ab. Im Übrigen stellte die Gerichtsmedizinerin fest, was wir bereits wussten, nämlich dass das Mädchen stark unterernährt war und Morphium und Amphetamin im Blut hatte. Eine lebensgefährliche Mischung, Upper und Downer gleichzeitig. Könnte jeden Menschen gefährden, aber die kleine Russin ganz besonders, denn ihr Allgemeinzustand war ja ohnehin schon miserabel. Laut der Stridner litt das Mädchen auch an einer Art Hormonmangel. Sie hatte zu wenig Wachstums- und Geschlechtshormone. Offenbar ist das ein erblicher Defekt, der sich beheben lässt, wenn er rechtzeitig entdeckt wird. Der Rechtsodontologe meint, dass ihr Zahnstatus darauf hindeutet, dass sie zwischen dreizehneinhalb und vierzehneinhalb Jahre alt war. Aber körperlich war sie unterentwickelt. Die meisten von uns schätzten sie auf zehn, maximal zwölf, als wir sie fanden.«
Irene drehte sich um und betrachtete das Foto an der Wand. Blondes Haar umrahmte das Gesicht des Mädchens … Elf … sie sah keinen Tag älter aus.
»Der Mageninhalt bestand aus etwas Weißbrot und Weißkohlsalat,
Weitere Kostenlose Bücher