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Die Tote im Maar - Eifel Krimi

Die Tote im Maar - Eifel Krimi

Titel: Die Tote im Maar - Eifel Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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noch kein menschliches Auge gesehen; zumindest keins, das ich persönlich kannte.
    Johnny riss mich mit sich. Er hatte offenbar keine Lust mehr, mit mir in das unergründliche Gewässer zu starren.
    Er schüttelte sich aus, bevor wir zusammen das kleine Gotteshaus betraten. Es gab sogar elektrisches Licht, was ich aber lieber nicht einschalten wollte. Gewitter waren mir nie geheuer; ich hatte schon gesehen, welche Zerstörung Blitzeinschläge anrichten konnten. Und Zelda in ihrem Sarg störte die Düsternis nicht. Ihr leuchtete längst ein anderes Licht. Jedenfalls wünschte ich es ihr.
    Johnny ließ sich an der linken Seite des dunklen Sarges nieder, an dessen Kopfende auf einem Podest ein Gesteck aus weißen Lilien arrangiert war. Zwei dicke batteriebetriebene Kerzen brannten für die Verstorbene. Der Schein war künstlich, und leider sah er auch genauso aus, aber Wachs und Feuer waren zu gefährlich. Ich hatte Zelda so zurechtgemacht, dass man sie anschauen und sich von ihr verabschieden konnte, was wohl kaum jemand tun würde. Ihre Freundinnen hatte sie überlebt.
    »Morgen Abend geht die Reise los«, sagte ich. »Ich weiß, es sollte erst einen Tag später und am Vormittag sein, aber ich verspreche, es wird Ihnen gefallen«, sagte ich ihr. Mir war es wichtig gewesen, ihr das zu sagen, auch wenn Luise verständnislos den Kopf schütteln würde, und nicht nur sie. Mit meinem Versprechen lehnte ich mich allerdings ein wenig aus dem Fenster.
    Ich hatte Paula gebeten, ein paar Anrufe für mich zu machen. Im Rathaus hatte man Zelda vor Kurzem ganz offiziell mit einem Blumenstrauß zu ihrem neunzigsten Geburtstag gratuliert, vielleicht wollte jemand auch zur Beerdigung kommen. Und Luise schuldete mir wegen Kleiner Bär etwas. Ich hatte sie um ihre Anwesenheit gebeten. Das letzte Geleit für Zelda. Schweigen war mir entgegengeflutet, bevor sie schnaufte und etwas sagte von wegen »öffentlicher Veranstaltung«. Es interessierte mich keinen Deut. Sie würde da sein.
    Und Galen hatte mir mitgeteilt, es wäre für den Trauerredner kein Problem, morgen am späteren Nachmittag zu kommen, es gäbe nicht wirklich viel über Zelda Krieger zu sagen. Und somit auch nicht viel vorzubereiten.
    Nicht wirklich viel. Die alte Dame war neunzig Jahre alt geworden, da musste es sogar ganz viel geben.
    Er hätte aber ein paar Songs aus ihrer Jugend herausgesucht, die könne man begleitend spielen. Ich rechnete zurück. Es dürften die späteren dreißiger Jahre gewesen sein, also hatte man Dixieland und Swing getanzt. Das hörte sich für mich gut an. Vielleicht auch etwas von Count Basie.
    Ich setzte mich in eine der Kirchenbänke und schaute mir die Wandmalereien an, ohne sie wirklich zu sehen. Wir würden den Regen abwarten, vorher war Johnny sowieso nicht dazu zu bewegen, den Heimweg anzutreten.
    Plötzlich klang es, als würde jemand die Glocken läuten. Aber es gab in dieser Kapelle augenblicklich nur Johnny und mich und Zelda.
    Soweit ich wusste, war eine der Glocken, die in der Turmspitze hingen, aus dem Metall der Schiffsglocke des Kriegsschiffes »Emden« gegossen worden. Man konnte sie von Hand läuten.
    Die Toten läuteten den Toten? Der Gedanke war von irgendwoher gekommen, wahrscheinlich weil ich die Geschichte des Schiffs und der Glocke kannte.
    Und das war keine Legende, zumindest keine, von der ich schon gehört hätte. Ich sah zu meinem Hund, der den Kopf auf die Pfoten gebettet hatte. Er schien nichts zu hören.
    Mein Blick glitt zum Gesicht von Zelda Krieger. Auch sie hatte sich nicht verändert. Doch etwas hatte sich verändert.
    Blitze schossen vom Himmel. Ich konnte den hellen Schein durch die Fenster sehen und hörte den Donner grollen und die Glocken schlagen, dazwischen das Zischen des Sturms. Ich wusste, ich sollte in dieser Bank sitzen bleiben, vielleicht sogar die Augen schließen.
    Die Atmosphäre war merkwürdig aufgeladen, und ich versuchte mir einzureden, dass mir hier rein gar nichts etwas anhaben konnte. Aber ich konnte meine Ohren nicht verschließen, es – was es auch war – war da.
    Johnny winselte. Er hatte sich von seinem Platz erhoben und stupste mich an, leckte meine Hand. Im einen Augenblick spürte ich die Berührung noch, im nächsten verschwammen die Wirklichkeit und die Kapelle vor meinen Augen.
    Ich schaute in einen Spiegel. Für einen Sekundenbruchteil sah ich uns beide. Katharina und mich. Dann explodierte der Spiegel. Das Blut lief in Rinnsalen über ihre Haut, und ich schrie: »Mama!«

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