Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Ich streckte ihr meine Hände entgegen, doch die Splitter des zerstörten Kristalls verzerrten grausam das Bild.
Es hätte ein Alptraum sein können, aber ich erlebte ihn wirklich. Ich schaute auf meine blutigen Hände und versuchte sie an meiner Hose abzuwischen. Das Blut ließ sich nicht entfernen, es klebte auf meiner Haut. Ich schrie, schüttelte panisch den Kopf, um die Bilder loszuwerden. Aber was auch immer ich tat, sie waren da. Ob ich die Augen schloss oder nicht. Sie gingen nicht weg.
Ich wollte rennen, fort von dem Grauen, und stieß gegen etwas. Schmerz fuhr durch mein Bein, und ich konnte Johnnys Bellen hören …
Als ich wieder zu mir kam, hockte ich auf dem kalten Steinboden und fragte mich, wie viele Minuten oder Stunden vergangen waren und wann ich zuletzt ganz bei mir gewesen war. Jemand hatte mich gefesselt, dachte ich, und etwas Schweres saß auf meiner Brust. Genau so fühlte es sich an.
Ich war über die Hügel zum Landgut Sonnenschein gehetzt, zu Luise.
Der Regen hatte es geschafft, mich wieder zu mir zurückzubringen. Ich war völlig kopflos davongestürzt, in meinen Ohren klangen die verfluchten Glocken, und vor meinen Augen spielte sich ein Film ab, den ich anhalten musste, weil ich sonst verrückt würde. Vielleicht war das auch längst schon geschehen.
Eine Gehirnerschütterung war nichts Besonderes nach einem solchen Unfall. Aber jetzt wurde ich andauernd erschüttert. Als würde sich etwas in meinem Gehirn bewegen. Jedenfalls kam es nicht mehr zur Ruhe, und ich auch nicht. Unergründliche Fetzen kamen da zum Vorschein, waren es Erinnerungen, oder warf mein Verstand alles in einen Topf, was ich je gehört, gesehen, erlebt hatte? Ich verstand es nicht.
Womöglich war es Johnny gewesen, der Richtung Luise gelaufen war, weil er wusste, dass ihn dort Wärme und ein trockenes Fleckchen erwarteten.
In früherer Zeit hätte sie direkt auf Weinfeld und das Totenmaar hinuntergesehen. Den Kratersee könnte sie immer noch sehen, dafür müsste sie nur ein Stückchen laufen, genau bis zum Grundstücksende oder seinem Beginn. Über eine großzügig angelegte Auffahrt gelangte man zu dem imposanten Anwesen. Es war kein Schloss, aber es gab einen Turm, und der Vorgarten mit den getrimmten Rasenflächen wirkte, als hätte sich jemand ein bisschen englisch fühlen wollen. Hinter dem kleinen Tal grenzten die Weinberge an, erhöhte Terrassen, auf denen die Reben wuchsen, im Hintergrund Wiesen, Äcker und eine Plantage mit Obstbäumen.
Und natürlich Luises Pavillon.
Als sie die Tür öffnete, erkannte ich an ihrem Gesicht, dass ich aussehen musste, wie ich mich fühlte. Dann sah sie auf den Labrador.
»Johnny ist nass. Er hasst es doch, nass zu sein.« Es war wirklich und wahrhaftig das Erste, was Luise sagte. Ich war auch nass, ich hatte ja keinen Schirm mitgenommen, womöglich hatte ich bei meiner Flucht sogar die Tür der kleinen Kapelle offen gelassen.
»Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen – oder gleich mehrere?« Luise strich mir die Haare aus dem Gesicht. Es war eine zärtliche Geste, die mir die Tränen in die Augen trieb. Ich lachte, aber mein Lachen hörte sich falsch an, jedenfalls klang es überhaupt nicht normal.
»Setz dich hin, ich hole Handtücher«, sagte sie. »Nein, ich hole nur für Johnny Handtücher. Du gehst unter die Dusche. Himmel, wo wart ihr denn? Bist du mit Johnny durchs Gelände gelaufen? – Du bist durchs Gelände gelaufen«, beantwortete sie sich die Frage selbst.
Johnny erinnerte sie mit einem leisen Winseln daran, dass sie doch endlich etwas gegen sein nasses Fell unternehmen solle.
»Schatz, alles in Ordnung. Föhnen?«, fragte sie.
»Fragst du den Hund oder mich?« Aber da schob sie mich schon ins Bad. Schatz. Alles war gut, denn Luise war Luise, und Johnny und ich waren in Sicherheit.
Ich blickte an mir herunter. Gräser reisten per Anhalter an meinen Schuhen und meiner Hose mit, und das Wasser lief mir aus den Haaren.
»Ich leg dir was zum Anziehen raus. Deine Schuhe hast du dir auch ruiniert. Isabel … ich frage nachher noch mal, was los ist.«
Sie schloss die Badtür hinter mir, nachdem sie zwei große Handtücher und den Föhn für Johnny mitgenommen hatte.
Ich fürchtete, dass ich nachher genauso wenig eine Antwort haben würde wie jetzt.
Ich zog die nassen Sachen aus, ließ das warme Wasser laufen und stellte mich unter den Strahl. Vielleicht könnte ich so auch das Blut von meinen Händen waschen, doch ich
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