Die Tote im Maar - Eifel Krimi
beobachtet, wie man Katharina geborgen hatte, und es für sich behalten.
»Kennen Sie eine Julia Koch?«, war ich gefragt worden und fragte zurück. »Wie kommen Sie auf Julia?«
»Sie kam auf uns«, sagte Vincent Klee schlicht. »Angeblich war sie eine Freundin von Katharina.«
Er benutzte ihre Vornamen, als würde er beide kennen. Ich unterstellte ihm Absicht, aber augenblicklich war es egal. Es klang sogar ein bisschen so, als würde es ihn tatsächlich berühren. Aus welchem Grund auch immer.
Julia Koch war die ehemals beste Freundin meiner Mutter gewesen, und sie hatte meinen Vater geliebt. Allerdings lange nachdem Katharina fortgegangen war, so wusste ich es jedenfalls.
Das war mehr als nur eine »Verbindung«, doch ich wollte nicht diejenige sein, die etwas preisgab, ich wollte vielmehr Antworten.
Und dafür musste ich ins Rechtsmedizinische Institut nach Mainz. Dafür, und um Katharina Friedrich als Katharina Friedrich zu identifizieren.
Meine Welt stand Kopf – sie hatte es zuvor schon getan, doch jetzt vollends.
Es kam mir so unwirklich vor, vielleicht weil ihr Tod neunzehn lange Jahre zurücklag.
Ich wollte sagen, ich kann das nicht, aber ich musste es können, weil es außer mir nur noch die beste Freundin meiner Mutter und meinen Großvater gab.
Galen war bei mir, auch Luise, die in einer Parkbucht im Wagen wartete. Ich fand sie tapfer, aber sie war nicht mutig genug gewesen, auszusteigen, mit mir die Treppen hinauf, durch einen Gang zu gehen und in ein Gesicht zu schauen, in das ich zuletzt als Kind geschaut hatte. Und sie auch.
Ich stützte mich wie eine alte Frau auf Galen.
Die unterschiedlichsten Gerüche versetzten meine Sinne in Aufruhr, und spätestens jetzt war ich froh darüber, dass meine Freundin mich nicht begleitet hatte. Wie hätten wir Luise Sonnenschein wieder hinausschaffen sollen, wenn sie hier in sich zusammengefallen wäre?
Eine Frau kam uns entgegen und starrte mich an, als würde sie mich kennen. Und sie kannte mich natürlich, es war Julia Koch.
Und so ging es mir auch, als ich auf der anderen Seite der Bahre stand und der Pathologe das Tuch vom Gesicht der Leiche zurückschlug. Ich erkannte sie.
Wie lange dauerte die Ewigkeit? – Es fühlte sich so an, als hätte ich genauso lange unbeweglich dagestanden.
In dieser Ewigkeit liefen in meinem Denken noch einmal die Ereignisse ab seit dem Zeitpunkt, an dem ich mit Luise zugesehen hatte, wie die Taucher in den See hinuntergingen.
Luise und ich hatten den Weg Richtung Institut eingeschlagen, um nur wenig später mitzubekommen, dass die Schaulustigen am Totenmaar sich davonmachten, davonmachen mussten, und eine schiere Massenflucht vonstattenging.
»Wir sind noch rechtzeitig weggekommen«, sagte Luise und klang erleichtert. »Meinst du, es rumpelt wieder? Hat sich die Erde bewegt?«
Ich hatte nichts dergleichen gespürt. Johnny auch nicht, und er war Experte, wenn es darum ging, ob sich jemand etwas einbildete oder ob es für etwas eine tatsächliche Ursache gab.
Luise nahm ihr Fernglas aus dem Handschuhfach. »Wir setzen uns irgendwohin, wo wir aus sicherer Entfernung alles beobachten können, und lassen das Glas reihum gehen.«
Reihum. Wir waren zu zweit. Johnny nicht mitgezählt.
Und genau das taten wir; unser Aussichtspunkt war eine Dachgaube. Staub und Spinnweben inbegriffen. Als Teenager hatten wir oft hier oben gesessen, wenn wir wieder mal geheimniskrämerisch zugange gewesen waren. Luise inspizierte unser ehemaliges Reich und ließ sich auf die alte Couch fallen, die tatsächlich auch noch hier stand, direkt am Fenster.
Eine Wolke alten Staubs stieg aus den Polstern. Luise nieste kräftig.
»Ich war seit Langem nicht mehr hier oben«, fühlte ich mich bemüßigt zu sagen.
Luise hatte gerade das Fernglas übernommen. Sie brauchte sich nur etwas zu drehen, um einen guten Blick ins Gelände zu haben, und kommentierte: »Da liegt eine Plane … Jetzt tauchen sie auf … Sie sind zu viert … Sie waren doch auch zu viert, als sie hinuntergingen, und jetzt steht einer von ihnen am Rand der Plane. Somit sind es fünf. Sie tragen jemanden. Sie …« Luise war kalkweiß, als sie das Fernglas absetzte, und dann wollte sie plötzlich nichts mehr beobachten. Ohne noch etwas zu sagen, verstaute sie das Glas in ihrer Handtasche.
»Luise?«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Die grässlichen Karten haben recht«, schniefte sie. Als Nächstes schloss sie die Arme um mich. Sie drückte mich so fest an sich,
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