Die Tote im Maar - Eifel Krimi
aber bei aller Verwirrtheit fragte ich mich, was er da tat.
»Gibt es außer Ihnen noch weitere Angehörige?« Er wandte den Blick nicht ab.
»Gibt es«, sagte ich. »Meinen Großvater Rufus Dissen, Katharinas Vater. Er wohnt in einem Altenheim in Koblenz.« Wie sollte ich Rufus beibringen, dass Katharina tot war? Es war nicht einfach, ihm überhaupt etwas zu erklären, er lebte in einer anderen Welt. Meist tat er es jedenfalls, und ich hatte Angst vor diesen Besuchen, weil sie mir den geistigen Verfall eines lieben Menschen vor Augen führten. Doch ich wusste, ich musste es ihm sagen, und zwar bevor es ein Fremder tun würde. Und um noch etwas musste ich mich kümmern. Katharinas letzten Gang.
»Wenn Sie …« Ich unterbrach mich. Ihre Leiche freigeben. Ich konnte es nicht sagen, und in meinem Kopf lief etwas aus der Spur.
Ich fühlte es, ich musste schleunigst hier weg.
Luise konnte es auch nicht. Galen konnte es. »Wenn Sie den Körper freigeben, rufen Sie bitte im Bestattungsinstitut an. Es wird sich jemand kümmern.«
Ich schaute ihn an. Das Institut waren wir, war ich.
Galen drückte meine Hand und hielt sie auch noch fest, als wir zum Auto gingen.
* * *
Natürlich war es ihr aufgefallen – solche Blicke konnten einem nicht entgehen. Der Kriminalkommissar war ein Nacktscanner oder wie man das auch immer nannte.
Gut aussehend war er auch und geheimnisvoll. Obwohl, von Männern mit Geheimnissen sollte eine Frau besser die Finger lassen.
Luise saß in ihrem Pavillon, vor sich die Karte der männlichen Hauptperson; sie hatte die Karten für Isabel gemischt. Diese männliche Hauptperson war Vincent Klee, rein hypothetisch natürlich.
Sie mochte Mysterien, nur diese schwarzen Geheimnisse, und das war immer die Konstellation Sarg und eine Person in unmittelbarer Nähe, die mochte sie überhaupt nicht – sie hatten mit einem Tod zu tun. Vincent Klees Beruf hatte auch damit zu tun, aber das hier deutete auf etwas Persönliches hin, sehr persönlich. Er trug die Schuld an einem Tod, oder aber er gab sich diese Schuld selbst. So genau konnten die Karten das nicht aufzeigen. Aber es ging um eine Frau, und da wussten die Karten, es ging um eine blonde Frau.
Isabel war damit nicht geholfen, da hätte Luise schon etwas mehr sehen müssen. In jedem Fall würde der Geheimnisvolle morgen das »Spanische Zimmer« im Landgut Sonnenschein beziehen, und dann könnte sie ihn besser im Auge behalten. Spanisch, weil dort ein Ölbild von einem Stierkampf hing, und genau dieses, weil es das einzige noch freie Zimmer war. Beinahe hätte sie sich zu weit aus dem Fenster gelehnt mit ihrem Angebot. Aber Vincent Klee hatte noch am selben Abend angerufen und gebucht – für eine Woche. Das Spanische Zimmer war nicht billig, es war nicht mal günstig.
Er würde womöglich herausfinden, was Katharina zugestoßen war. Jedenfalls machte er den Eindruck eines Mannes, der sich entschlossen hatte, etwas aufzuklären. Und vielleicht lag ihm sogar persönlich etwas daran, dachte Luise, denn Vincent Klee hatte Isabel auf diese besondere Weise angesehen. Sie hatte alles genau beobachtet, und darum war ihr auch Galens Gesichtsausdruck nicht entgangen, als sie vor der Rechtsmedizin in Mainz gestanden hatten.
Galen war auf der Hut gewesen, so zumindest war es ihr vorgekommen.
Du spinnst, sagte sie sich. Aber auch wenn sie sich gerade etwas zurechtsponn, sie machte sich Sorgen um ihre Freundin. Der verdammte Autounfall. Isabel musste ihren Kopf untersuchen lassen, irgendetwas stimmte nicht.
Aber wer sah hier Dinge, die noch nicht geschehen waren? Das war doch sie, Luise. Isabel sah Dinge, die sich bereits ereignet hatten. Ganz ohne Karten.
Luise verband einige wunderbare Kindheitserinnerungen mit Katharina Friedrich, und ausgerechnet von ihr hieß es, sie hätte ihre Familie verlassen. Und jetzt stellte sich heraus, dass sie nichts dergleichen getan hatte.
Katharinas Körper sollte von Mainz nach Schalkenmehren ins Institut überführt und danach auf dem Friedhof im Familiengrab bestattet werden. Würde sie, Luise, stark genug sein, Isabel bei allem, was auf sie zukam, zu unterstützen? Wo sie schon nicht stark genug gewesen war, ihrer besten Freundin in der schlimmsten Stunde beizustehen.
Wenn Vincent Klee etwas über Isabels »Ausfälle« herausfand, wenn er darüber hinaus mitbekam, dass Isabel Dinge sah und hörte, die nicht existent waren … Was dann? Luise hatte ein komisches Gefühl bei dem Gedanken. Der Kriminalkommissar
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