Die Tote im Maar - Eifel Krimi
jemandem sprechen wollte, der bei der Bergung der Toten im Maar dabei gewesen war.
»Ich wollte nicht herkommen, aber ich musste«, sagte die Frau anstatt einer Begrüßung. Sie war schwer zu schätzen, vielleicht knapp fünfzig. Das braune Haar fiel ihr spitz zulaufend über die Wangenknochen. Vincent war nicht vertraut damit, welcher Schnitt gerade modern war, doch dieser sah so aus. Ihre vollen Lippen schimmerten in einem Ziegelton, und die dunklen Augen suchten seine.
»Die Frau aus dem Maar«, sagte sie, und Vincent fiel auf, dass sich auf ihren nackten Armen eine Gänsehaut bildete; dabei war es im Büro nicht kalt. »Ich glaube, Sie haben die Leiche meiner ehemals besten Freundin gefunden.«
»Und Sie sind?«, fragte er.
»Hören Sie mir zu? Sie war meine beste Freundin. Wir sind gleich alt.«
Er hatte zugehört. Und er wusste so sicher, wie er jetzt hier saß, dass er eine junge Frau aus diesem See geborgen hatte.
Vincent war dabei, sich einen Reim auf die Bemerkung der Frau zu machen, als Konstantin Höllrath plötzlich vor ihm stand, die wachen Augen auf ihn gerichtet und ein Lächeln im Gesicht.
»Schön, dich mal wieder zu sehen. Geht’s dir gut?« Bevor Vincent antworten konnte, sagte Konstantin Höllrath: »Der lebt ja auch noch«, und wies auf den Western-Kaktus, der mittlerweile schon beinahe Zimmergröße und einige schöne Auslegearme entwickelt hatte.
»Der Kaktus will nie etwas und ist mit allem zufrieden«, gab Vincent zurück, dann fragte er: »Warum sagst du, es könnte Isabel Friedrich sein? Grade war eine Frau hier, die sagte, die Tote wäre ihre ehemals beste Freundin.« Und er nannte Höllrath einen Namen.
»Oha«, sagte Höllrath und setzte sich auf den Stuhl Vincent gegenüber. »Dann wird es Zeit herauszufinden, wer es wirklich ist.«
Es war nicht einfach, einen Psychologen auszuhorchen, aber dieser wollte sich offenbar aushorchen lassen. Vincent erfuhr von Isabel Friedrichs Besuch in der Praxis.
»Sie hat meine Visitenkarte gefunden, aber sie wollte partout nicht mit mir reden, obwohl sie es eigentlich doch wollte. Über ihren Vater. Roman führte ein Bestattungsinstitut in Schalkenmehren, wir kannten uns wegen einer alten Sache. Man könnte sagen, wir waren befreundet. Er starb vor ungefähr zwei Jahren. Seine Frau hieß Katharina, Isabel ist seine Tochter.«
9
Das Gebäude am Pulverturm beherbergte den Tod, und zu einer bestimmten Zeit war der Ort selbst für viele Tode verantwortlich gewesen – als der Pulverturm im 19. Jahrhundert in die Luft flog. Von ihm ist nur noch ein Giebelstein übrig geblieben.
Übrig blieb immer etwas, wie ich sehr wohl wusste. Anders als in meinem Institut wurden die Leichen hier aufgemacht, man blickte ins Innerste eines Menschen und nähte ihn anschließend wieder zu.
Und so wie man meinem Fachwerkhaus nicht ansah, was in ihm stattfand, wies auch hier nichts außer einigen Schildern darauf hin. Die Fassade hätte auch zu einem einfachen Bürogebäude gehören können. Einem sehr einfachen, aber dieses gehörte zur Johannes Gutenberg Universität. Ein Teil war unangenehm mauvefarben, der andere Gebäudeteil war grau, und die umlaufenden Balkone waren mit einem weißen Gestänge ausgestattet, das im Abstand von jeweils einem Meter immer wieder himmelwärts strebte.
Einen Tag zuvor hatte ich die Todesnachricht bekommen.
Als er vor meiner Tür stand, hatte ich ihn sofort wiedererkannt. Er war einer der Taucher. Ein schlanker, gut aussehender blonder Mann, dessen blaue Augen mich eingehend musterten, als wäre er dabei, in mich hineinzusehen.
»Vincent Klee, Hauptkommissar der Wasserschutzpolizei«, stellte er sich vor. »Und Dr. Höllrath.«
Seinen Begleiter meinte ich zwar von irgendwoher zu kennen – seine Ohren; sie standen ab, aber wieder kam ich nicht darauf, was ich an abstehenden Ohren so bemerkenswert finden müsste.
Höllrath hatte mir einen wissenden Blick zugeworfen wie ein Lehrer, der seine Schülerin beim Schwindeln ertappte. Die beiden waren ein seltsames Gespann, mit einer seltsamen Mitteilung.
Ich hatte in meinem Mäntelchen dagestanden, das ich immer trug, wenn ich mit dem Tod zu tun hatte, und erfuhr vom Tod meiner Mutter. Katharina war die Tote aus dem See, von der seit heute ganz Schalkenmehren sprach.
Ich wusste es schon, obwohl sich niemand so etwas gedacht hätte.
Ich nickte. Wie in aller Welt ergab sich dieser Zusammenhang? Wie kam Vincent Klee, Wasserschutzpolizist, auf mich? Nur Luise und Galen hatten
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