Die Tote im Maar - Eifel Krimi
alles, was er brauchte. Ich musste nicht dort hinunter, sollte stattdessen versuchen, Licht in meine eigene Dunkelheit zu bringen.
Doch bevor ich wusste, wonach ich griff, nahm ich meinen Hausschlüssel und versenkte ihn in einer der Taschen meiner Jeans. Dann schnappte ich mir die Regenjacke mit Kapuze.
Ein weiterer Blitz zischte vom Himmel. Es begann heftiger zu regnen. Bei dem Wetter ging doch niemand tauchen. Was wollte Klee, sich umbringen? Er war immerhin der Mann, der mich geküsst hatte und von dem ich hoffte, er würde es wieder tun.
Was glaubte er zu entdecken, fragte ich mich. Beim ersten Tauchgang hatte er keine Zeit gehabt, sich dort unten genauer umzuschauen, und jetzt würde er sie sich nehmen?
Ich hatte Angst vor dem, was er vielleicht entdecken könnte und mit wem er es in Verbindung bringen würde. Mit meinem Vater, mit mir?
Ich hatte Dinge getan, ohne es zu wissen; ich war aus dem Haus Diamand marschiert und auf dem Friedhof gegenüber wieder zu mir gekommen, ohne eine Erinnerung daran zu haben, was in der Zeit dazwischen geschehen war.
Am vergangenen Abend hatte Vincent Klee mich erzählen lassen. Wie jemand, der alles über eine Person erfahren wollte, nur dass diese Person tot vor ihm lag. Er hatte es verstanden, mich und mein Bewusstsein mit Leichtigkeit auszuhebeln.
Jetzt würde ich das Gleiche bei ihm versuchen. Ich beeilte mich. Leichtfüßig legte ich die relativ kurze Strecke vom Waldrand bis zum Wasser zurück – und sah gerade noch, wie sein Schatten in die Tiefe sank und ein paar Blasen aufstiegen. Warum hatte er sich so beeilt? Oder warum hatte ich mich nicht mehr beeilt? Mist!
Ich ging in die Knie, streifte mit den Händen durchs Wasser und hoffte, das Totenmaar würde seine Geheimnisse verschließen, wie es das schon einmal getan hatte. Der Mann war ein Rätsel, doch der Polizist war akkurat, er wollte Details.
Als ich mich wieder aufrichtete, meinte ich, aus dem Augenwinkel eine Bewegung unter einem der Bäume wahrgenommen zu haben. Gab es da noch jemanden, der Vincent Klee beobachtete? Nur beobachtete ich ihn ja gar nicht.
Ein erneuter Blitz und ein erneuter Blick ließen mich zweifeln. Da war niemand. Wie könnte sich auch jemand bei einem Gewitter unter einen Baum geflüchtet haben?
Nach Lachen war mir aber gerade nicht zumute, ich sah viel in der letzten Zeit. Die Bewegung war wahrscheinlich eben so unwirklich wie einige der Bilder in meinem Kopf.
Es verstrich einige Zeit, bis ich wieder einen Lichtschimmer im Wasser sehen konnte, der langsam aufwärtsdrängte. Ich hatte schon zurückgehen und mich ins Trockene flüchten wollen, ausrichten konnte ich hier nichts mehr. Aber der Regen prasselte weiter, und ich stand noch immer am Rand des Sees.
Ich war keine Taucherin, aber es erschien mir unangemessen viel Zeit in Anspruch zu nehmen – diese Rückkehr an die Oberfläche. Warum dauerte das so lange?
Dann zuckte der nächste Blitz vom Himmel, und ich erschrak. Sein Körper trieb rücklings im Wasser, es sah aus, als bewegte er sich nicht.
Etwas stimmte nicht.
Ich starrte noch einen Augenblick ungläubig auf die reglose Gestalt, dann riss ich mir die Jacke herunter, zog Schuhe und Jeans aus und schwamm bis fast zur Mitte des Sees.
»So hab ich es nicht gemeint«, keuchte ich. Niemand hörte meine Not, aber ich hatte doch nicht gewollt, dass Vincent Klee aus der Tiefe nicht zurückkehrte, ich wollte doch nur nicht, dass er etwas entdeckte.
Ich versprach mir, alles zu tun, um den Mann heil an Land zu bringen. Ich hoffte, er war noch am Leben, und noch mehr hoffte ich, wir würden es hinüberschaffen, ohne vom Blitz getroffen zu werden. Atmete er?
Das zu überprüfen bekam ich allerdings keine Gelegenheit. Meine Angst war zum Schneiden, ich musste ruhig bleiben, durfte nicht zum Himmel schauen. Ich hielt seinen Kopf über Wasser. Die Schläuche machten es mir nicht gerade leicht, mit meiner Fracht im Arm Richtung Ufer zu schwimmen.
Er war schwer und die Kraft in meinen Armen aufgebraucht. Ich zog ihn nur ein kleines Stück aus dem Wasser, schob in aller Eile die Weste, an der alles festgemacht war, auch die Sauerstoffflaschen, über seine Arme. Es dauerte zu lange. Meine Hände zitterten. Vincent Klee bewegte sich nicht. Was war dort unten passiert? Wie lange war er schon ohne Bewusstsein?
Ich nahm ihm die Tauchmaske ab, fühlte seinen Puls. Etwas flatterte leicht gegen meine Fingerspitzen, jedenfalls glaubte ich es. Der nächste Blitz schoss in den See, und für
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